Der bewaffnete Arm der Regierung

Gianni Ballarini

22 Ottobre 2022

Der Richelieu hinter Meloni ist der Präsident der Rüstungsindustrie. Jetzt wird er sie finanzieren. Er ist der entschiedenste Gegner des Gesetzes 185, das die Kontrolle des Staates über den Import und Export von Waffen kontrolliert. Daran erinnert Nigrizia. Seine ungezügelte Leidenschaft gilt jener Welt voller Bomben, Jagdflugzeugen und Panzern. Er hält das ethische Banking für etwas verwerfliches, die dem Business in einem Bereich „der wenigen strategischen und technischen Vermögensanlagen diesem Land geblieben sind“.

Der neue Verteidigungsminister Guido Crosetto gilt vor allem in der Linken als einer der wenigen, denkenden und angesehenen Spitzenpolitiker. Er ist ein wahrer Provokateur, der Missverständnisse und Mehrdeutigkeiten nicht erträgt, worauf er mit der eigenen Arroganz antwortet. Er ist allergisch gegenüber gut meinender Rhetorik und gegenüber den Slogans, die Zeitungen und Medien gebrauchen und konsumieren. Guido Crosetto haben wir in den televisiven Salons kennengelernt, jetzt sitzt er im Palazzo Baracchini.

Er gründete mit Meloni und La Russa 2012 die Fratelli d’Italia und er wird als der Richelieu der neuen Premierministerin, die ihm blind vertraut, angesehen Er braucht nicht unbedingt den Regierungssitz zur Konditionierung der neuen Regierung, denn diese aufdringliche Figur vereinigt alle Aspekte der Macht in sich: den Politiker, Unternehmer und Lobbyisten. Vor allem steht er dafür, der bewaffnete Arm der neuen Exekutive zu sein, der früher Frieden mit Krieg herstellte und gut verdiente, wenn sich die Militärausgaben erhöhten.

Er leitete den Unternehmerverband der Rüstungsindustrie

Seit 2014 trug der Koloss von Cuneo den Stahlhelm im Schützengraben der Kriegsindustrie, wurde Präsident der Aiad, ri Zusammenschluss der italienischen Unternehmen, die sich mit Verteidigung befassen. Diesen Posten wird er aber als Minister einmotten. n

Im Palazzo Baracchini, dem Sitz des Verteidigungsministeriums, wird er jedoch peinliche Momente erleben. Seit Jahren fließt aus dessen Haushalt ein beachtlicher Betrag an Finanzmitteln u.a. für Investitionen in der nationalen Verteidigungsindustrie, die diese Unternehmen finanzieren, die er seit acht Jahren repräsentierte.

Die politischen Windungen

Aber beginnen wir der Reihe nach. Crosetto ist Piemonteser, 59 Jahre, politische Anfänge machte er in der Democrazia Cristiana. Dann kam seine Erleuchtung auf dem Weg nach Arcore

So wird er in den Jahren 2003-2009 regionaler Koordinator der Partei Forza Italia. 2001 erfolgt seine Wahl in die Abgeordnetenkammer und in den Jahren 2006 und 2008 wird er wiedergewählt. Von 2008 bis 2011 steht er unter der 4. Regierung Berlusconi im Amt eines Unterstaatssekretärs der Verteidigung. 2012 verlässt er dann den rechten Parteienzusammenschluss Il Popolo delle Libertà von Berlusconi. Der Ruf zur Aiad im Jahr 2014 fällt mit seinem ersten Ausscheiden aus der Politik zusammen. 2017 kehrt er wieder ins Parlament zurück, aus dem er ein Jahr später erneut ausscheidet. Mit seinem Engagement für die Waffenindustrie ist er völlig beschäftigt. Er wird auch Berater des militärischen Bereichs der italienischen Holding Leonardo. 2020 wird er dann zum Präsidenten des militärischen und maritimen Logistikunternehmens Orrizonte Sistemi Navali, das zu 51% vom europaweit operierenden Schiffsbauunternehmen Fincantieri und 49% von der Holding Leonardo gehalten wird.

Es werden zu wenig Waffen hergestellt

In seinen Fernsehauftritten verheimlicht er, als wäre sie selbstverständlich (das ist sie aber nicht), öfters seine Rolle. Seine ungezügelte Leidenschaft gilt einer Welt voller Bomben, Jagdflugzeugen und Panzern: „Es handelt sich um einen Sektor mit sehr hoher Wertschöpfung. Einer der wenigen strategischen und technologischen Trümpfe, die in diesem Land noch vorhanden sind. Das Problem ist, dass die Produktion nicht ausreicht, um den Investitionsbedarf in allen Ländern zu decken.“ Entschlüsselt heißt dies, dass immer noch zu wenig Waffen produziert werden.

Wenn er kann, gibt er seinem Gesprächspartner die Ergebnisse einer von Aiad bei Prometeia in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2019 weiter, aus der hervorgeht, dass die Branche einen Umsatz von fast 16 Milliarden Euro erzielt und 50.000 direkte und 150.000 indirekte Mitarbeiter beschäftigt. „Jeder von der Rüstungsindustrie erwirtschaftete Euro an Wertschöpfung hat einen Multiplikatoreffekt von 3, bei einem Steueraufkommen von über 5 Milliarden Euro“.

Die vorgestellten Daten werden von unabhängigen Forschern bestritten oder mit einem anderen Interpretationsschlüssel gelesen.

Crosetto liebt nun mal diese Zahlen, indessen er eine hasst: die Zahl 185.

Sie bezeichnet ein Gesetz aus dem Jahr 1990, das die staatliche Kontrolle der Ex- und Importe von Waffen regelt. Seiner Meinung nach ist es ein Gesetz der Unfreiheit, mit zu vielen Fallen und Schlingen. Es sei zu bürokratisch. „Es geht nicht, dass ein Gesetz, die Entscheidungen über den Verteidigungssektor in die Hände des Außenministeriums legt“, ist eine seiner wiederholten Kommentierungen. Er ging an die Decke als im Dezember 2020 eine parlamentarische Mehrheit sich für den Vorschlag der PD – Abgeordneten Lia Quartapelle aussprach. Er verpflichtete die Regierung Conte „die Aussetzung der Konzession neuer Lizenzen für Luftwaffenbomben und – Raketen aufrechtzuerhalten, weil zum Schaden der Zivilbevölkerung Saudi-Arabiens und der Vereinigten Emirate eingesetzt werden können“. Im Verteidigungsausschuss hielt er dagegen: „Man muss gegen das Gesetz 185 etwas tun. Will man mehr oder weniger mit einem Land kooperieren, hat die Regierung und nicht das Parlament zu entscheiden“.

Was ihn aber absolut zur Furie werden lässt, ist das Thema der ‚ethischen Banken‘. Er nennt sie so, weil sie sich manchmal weigern, Unternehmen im Militärsektor zu bedienen, die auf Kriegsschauplätzen oder Ländern ohne Bürgerrechte operieren. „Das Verhalten dieser Banken ist äußerst bedenklich, weil sie Zahlungen aus dem Ausland blockieren. Sie sind dazu nicht von entsprechenden Ministerien autorisiert, und sie entscheiden in der eigenen Arroganz, völlig legalen Geschäften den Hahn abzudrehen.“ Und missfällig fügt er hinzu: „Die Unternehmen können nicht arbeiten. Je kleiner und geringer ihre Geschäfte sind, desto mehr werden Banken ethisch. Das verliert sich schnell, wenn ein Milliardengeschäft zu erwarten ist.“

Im Verteidigungsausschuss wünschte er, dass Mediobanca und Banca Popolare Apulien in die Galaxie von Wirtschafts- und Finanzministerium finden mögen, wie es so auch gekommen ist. „In diesem Zustand werden sie zu Banken des Systems, die einzigen, die für eine reibungslose Zusammenarbeit infrage kommen. Denn sie sind vom Ministerium autorisiert, vom Verteidigungs- wie Wirtschaftsministerium. Eine öffentliche Bank kann nicht nein sagen, so wie es die anderen tun.“

Die Ideen des Königmachers der Meloni sind eindeutig. Jetzt, wo er an der Macht ist, zeichnet sich für das Gesetz 185 eine unglückliche Zukunft ab.

Anmerkungen:

  1. Die Villa San Martino in Arcore (Lombardei) ist einer der Wohnsitze von Silvio Berlusconi
    siehe auch:Il Giallo di Villa Maria…


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