Mexiko: Tausende Zapatisten mobilisieren gegen den Krieg und kratzen am Mythos seiner „Nichtexistenz“

Autorin: Gloria Muñoz Ramírez

Eine weitere Frau wendet sich an die Autofahrer. Die kurbeln das Fenster herunter und nehmen gerne die Flugblätter in denen steht, dass es dringlich ist, „die Stimme gegen den Krieg zu erheben und dagegen zu mobilisieren„. Ein älterer Zapatist wiederholt die Szene im zentralen Park, in dem Touristen und Einwohner der Gemeinde den dicht gedrängten Marsch der zapatistischen Stützpunkte von Los Altos de Chiapas mit ihren Handys filmen.

Mit Lastwagen kamen vermummte Frauen und Männer mit ihren Mädchen und Jungen aus dem Caracol Oventik. Mindestens drei Generationen von Zapatistas versammelten sich heute Morgen beim Museum der Maya-Medizin, und in perfekter Ordnung, in diesen bereits traditionellen vier Reihen gruppiert, zogen sie ins Zentrum der Stadt.

„Weder Putin noch Selenskyj“, steht auf einigen Schildern, die in dem endlosen Fluss der Demostrant*innen durch die Stadt zu sehen sind. Bei dieser Gelegenheit schließen die Geschäfte nicht wie bei anderen zapatistischen Mobilisierungen. Diesmal verließen die Mitarbeiter die Geschäfte, um die Flyer entgegenzunehmen und Fotos zu machen. Die Stützpunkte änderten die Route und durchquerten den Markt von Santo Domingo, mitten durch die Menschenmassen, die am Sonntag ihre Einkäufe erledigen.

Die Zapatistas haben beschlossen, ihren eigenen Weg direkt seitlich der Kolonie Primero de Enero zu beginnen, dort wo die Zerstörung des sozialen Gefüges durch organisierte Kriminalität, politische Parteien, Kirchen und allgemeine Kriminalität spürbar ist, dort begannen sie, ihre Informationsblätter zu verteilen und ihre Parolen zu rufen. Das war keine Kleinigkeit.

Die EZLN lässt ihre Muskeln spielen. Und das in einer polarisierten Atmosphäre, in der jede Machtkritik verunglimpft wird. Tausende erschienen gleichzeitig in dieser Stadt und in den Hauptstädten Ocosingo, Palenque, Altamirano und Las Margaritas. Die Stärke ihrer Präsenz widerlegt die offizielle Propaganda, die verbreitet wird, dass sie gespalten sind, dass sie nicht existieren, dass sie an zehn Fingern sind abzuzählen sind. Sie marschierten fröhlich, sie gingen mit ihren Plakaten und Bannern, die dazu aufriefen, die Menschen in Mexiko und der Welt aufzuwecken, wie vor 28, 20, 15, 10, 5 Jahren, wie sie es immer taten.

Diese Mobilisierung ist ihr erster öffentlicher Auftritt nach dem „Crossing for Life“, das Hunderte von Zapatistas dazu veranlasste, in einem Dutzend europäischer Länder die Kämpfe von unten zu erfahren. Für heute haben sie ihre alten und neuen Bekannten aufgerufen, gegen die kapitalistischen Kriege zu demonstrieren, denn „es geht nicht nur um die Ukraine. Auch Palästina, Kurdistan, Syrien, das Volk der Mapuche, die ursprünglichen Völker auf dem ganzen Planeten und viele und viele libertäre Prozesse, die angegriffen, verfolgt, ermordet, zum Schweigen gebracht und falsch dargestellt werden.

„Es wird keine Landschaft nach der Schlacht geben“, steht auf einem riesigen Transparent, das auf die jüngste Erklärung anspielt, in der sie beschrieben, dass „mehrere Regierungen sich aus wirtschaftlichen Gründen der einen oder anderen Fraktion angeschlossen haben. Es gibt keine humanistische Bewertung bei ihnen“.

Ein junger Zapatist verliest die Position aus dem Fahrzeug, das die Mobilisierung anführt: „Wir anderen, wir anderen, die Zapatistas also, sagen, dass Ihr Schmerz unser Schmerz ist und sie appellieren an die Frauen unserer Völker sich zu organisieren, damit jeder der in seiner eigenen Geographie und mit seinem eigenen Kalender sichorganisiert, um die ungerechten Kriege zu stoppen, weil sie als Frauen und Mütter am meisten betroffen sind.

Tausende von ihnen gehen hinter ihnen her, die Mehrheit wurde nicht am 1. Januar 1994 geboren und heute sind sie die Kader, die den Zapatismus am Leben erhalten und ihre eigene Agenda aufbauen.