Eine Linke, die sich einrichtet:

Der Kapitalismus als Religion – Teil I

Schachpartie Walter Benjamin (seitlich) und Bertolt Brecht, Svendborg 1934.

Pubblicato il Wu Ming

La sinistra che trattiene. Parte prima: il capitalismo come religione

di Wolf Bukowski *

Mit dem Neujahrstag, ein verdunkelter in nächtlicher Ausgangssperre, wird jedenfalls der Datierung nach das Hundertjährige beginnen, in dem an das Fragment Kapitalismus als Religion von Walter Benjamin erinnert werden wird. Wir können heute sicherlich bestätigen, wie wir im Kurztext lesen, dass der Kapitalismus auf „dieselben Ängste, Schmerzen und Ängste reagiert, auf die die sogenannten Religionen in der Vergangenheit reagiert haben“. Dennoch ist die Vergangenheit der Religionszugehörigkeit zumindest für eine Mehrheit der Bürger dieses Teils der Welt, in dem wir leben, nunmehr abgelegt und im Nebel der Gleichgültigkeit eingetaucht und, abgesehen von persönlicher Neugier, in Vergessenheit geraten. Hier und jetzt steht also allein die religiöse Dimension des Kapitalismus, emanzipiert vom Gleichklang mit historischen religiösen Erfahrungen. Darin zeigt sich die Aktualität von Benjamin, der den Kapitalismus als „essenziell religiöse Erscheinung“ im vollen Sinne und „nicht nur, wie Weber meint, als ein religiös bedingtes Gebilde“ begreift. Er bezieht sich in seinem Fragment offensichtlich auf Max Weber, dem Autor von „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“.

Der Kapitalismus ist heute vielleicht sogar mehr als damals, gerade weil er von schwerfälliger Beharrlichkeit befreit ist (eben von jener der Religionen im historischen Sinne), eine hochsynkretistische, opportunistische Religion ohne Theologie und ohne Dogmen, es seien denn die, dass sie sich auf ihr eigenes ewiges, an die ändernden Bedingungen anpassungsfähiges Sein beziehen. Er ist zweifellos die Religion der Schulden, der Knappheit und der individuellen Schuld, die mit Arbeit, (ständiger) Ausbildung, Belastbarkeit und Selbstunternehmertum abgebüßt wird, aber er ist auch eine Religion der Ekstase und des offensichtlich schlechten Geschmacks mit der Aufforderung zum Genuss. Wenn man sie zunächst nicht in ihrer widersprüchlichen Gesamtheit betrachtet und ein Merkmal dem anderen vorzieht, riskiert man einen partiellen Ansatz, von dem ich mehr als eine Spur in dem Artikel finde, der vor Tagen in Jacobin veröffentlicht wurde: „Die Religion der Schulden“ von Stimilli u.w. (dieser Artikel wird ab hier als Kürzel mit LRDD = La Religione del Debito/Die Religion der Schuld bezeichnet). Tatsächlich wird in den Ausführungen ein sehr calvinistisches Porträt der kapitalistischen Religion gemalt. Um ein Beispiel zu nennen, wäre dies der Bezug auf die Rechnungslegung, die das Subjekt für sich zu tun gezwungen wird, und die den beschwerlichen Akt einer doppelten Buchführung von Schuld und Tugend anerkennt. Dies ist sicherlich richtig, verweist aber den freudvollen Aspekt der integralen Gamification der Existenz, der durch den Sexappeal des digital Anorganischen vermittelt wird, in den Schattenbereich.

Screenshot der Online-Verkaufsseite Redbubble.com: auf dem T-Shirt ist eine Reproduktion der 1949 erschienenen deutschen Briefmarke, die in der sowjetischen Zone (der im gleichen Jahr gegründeten DDR) herausgegeben wurde. Sie erinnert an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Das T-Shirt ist Beispiel für einen zweideutigen Fetischismus (widersprüchlich in jeder Hinsicht). Man kann es als Identitätsmerkmal kaufen und im Innersten des „Kapitalismus als Religion“ anbeten.

1. Die (vorläufige) Verpflichtung zur Genügsamkeit

Zweifellos dreht sich der Machtdiskurs im kapitalistischen Staat um die Verpflichtung zur Sparsamkeit, darum, nicht zu sozialisieren und auch mit dem Konsum sachte umzugehen und deshalb nicht „zu horten“. Dieser Diskurs ist klassenübergreifend und betrifft sowohl den Luxus- oder Quasi-Luxus-Konsum (zum Beispiel die weißen Wochen) wie auch seine gewöhnliche Komponente. Aber wir befinden uns jetzt in einem Knick der Geschichte, in der die Forderung nach Schutz der Bürger (vor dem Virus) Vorrang vor allen anderen Überlegungen hat, selbst gegenüber dem nicht mehr widerruflichen Ergebnis einer jahrzehntelangen Praxis, in der der Staat seinen Bürgern den Schutz hinsichtlich jeglicher Bedrohung versprochen hat, obwohl letztere dereinst im Unterschied zur Gegenwart zumeist erfunden war. Dies geschah nicht nur «in den letzten Jahren mit den neuen souveränistischen Bestrebungen», wie wir ziemlich unerklärt in der „LRDD“ lesen, sondern auch lange zuvor und auf der anderen Seite des Halbkreises: Der angelsächsische Securitarismus hat seine zerstörendsten Auswirkungen in linken und europafreundlichen Regierungen gehabt, gerade weil er soziale Schichten infizierte, die bis dahin nicht daran gewöhnt waren, aus Angst vor Verbrechen regiert zu werden. Jedenfalls: Wenn der Staat verspricht, sie um jeden Preis zu schützen, verengt er nun die Einhaltung dieses Versprechens: Biopolitische Sicherheit [1] ist kein einseitiger Vertrag, der nur aus Repression besteht, was für diejenigen, die ihn anfechten, sehr wünschenswert und bequem wäre. Er entzieht dich tatsächlich der Anomie, oder tut dies zumindest die meiste Zeit für ein Großteil der Bürger*innen, die als solche anerkannt sind. Wäre dies nicht der Fall wäre, würde sich seine Vereinnahmung nicht erklären. Wenn dies nicht der Fall wäre, hätte die Linke meines Erachtens nicht das völlig unlösbare Problem (das heißt, dass es nur durch seine vollständige Auf-lösung in etwas anderes gelöst werden kann) zu entscheiden, ob sie sich für die Möglichkeit einer radikalen Transformation der Welt einsetzen will unter dem Risiko, die Sicherheit zu gefährden oder zu versuchen, Institutionen zu beeinflussen und weniger repressiven Praktiken zu bewegen („[…] die etablierten Machtformen umwandeln“, so in LRDD), aber auch bei der zweiten Möglichkeit zu wissen – auch ohne es zugeben zu müssen -, dass die Grundlage der Machtverhältnisse (Kapitalismus) notwendigerweise beibehalten wird. Die Strafe, auf die erstere Hypothese zurückzugreifen, wäre die der Anomie [II] und des Verlustes an Sicherheit.

Aber lasst uns zur Gegenwart zurückkehren: Wir befinden uns in einem Zeitpunkt, in dem sich der Überbau verbiegt und die wirtschaftlichen Beziehungen auf völlig unmechanische Weise vorübergehend und teilweise umgestaltet. Im Vorgang selbst zeichnen sich schon die Art und Weise und die Formen ab, mit deren Hilfe die Struktur die Kontrolle wiedererlangt und welches die tragenden Subjekte sind. Offensichtlich ist dies der Haltung des Staates vorbehalten, ohne den der derzeitige Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Größe nicht möglich wäre, und daher wird der staatliche Imperativ zur „Rettung der Bürger“ durchgesetzt. Da die Rettung der Bürger vor jeglicher Bedrohung nur ein Versprechen sein kann, ist der Staat in der Praxis gezwungen, sich auf die schrecklichste Bedrohung zu konzentrieren, die er bekämpft, und er vernachlässigt daher letztendlich die anderen: Heute verspricht er uns mit wirklich beispielloser Hartnäckigkeit Erlösung von der viralen Bedrohung in ihrer koronaviralen Deklination. Ebenbürtige Bedrohungen, die zumindest die gleiche Aufmerksamkeit verdienten, zum Beispiel die üblichen Todesfälle aufgrund von Tumoren (und Krebs ist eine Krankheit der kapitalistischen Entwicklung schlechthin), lässt er außer acht. Morgen kehren wir vielleicht wieder zu den beruhigenden imaginären Bedrohungen (der Invasion von Migranten) zurück und so weiter. Einmal erklärte biopolitische Sicherheit kann nicht widerrufen werden, selbst wenn sie in dem einen oder anderen Sinne gestaltet werden kann.

2. Der Virus als Antithese zum Kapitalismus?

Die lebhafte Dialektik zwischen Struktur und Überbau, hier im Sinne von wirtschaftlichen Erfordernissen und Regierungsentscheidungen hat viele dazu veranlasst, sich nicht auf das Profil des Feindes zu konzentrieren und den Unternehmerverband tout court mit dem Kapitalismus verwechselt: Die Regierung könnte alles aufhalten, meint man, aber schon steht der Unternehmerverband im Weg. Daher erkennen wir nicht, dass der Verband mit seiner zynischen Einstellung zu seinem normalen Geschäftsbetrieb zurückkehren möchte. Während der anhaltende globale interkapitalistische Kampf einen ganz anderen Umfang hat und dessen mögliche Gewinner aber kein business as usual wollen. Sie sind sich sicher, so wie wir es in einer fernen Zeit einmal waren, dass die Zukunft ihnen gehört. Um dies mit Buenaventura Durruti zu paraphrasieren, dass die Trümmer uns deswegen nicht erschreckten, weil wir eine neue Welt in unsere Herzen brachten.

Dokuserie über das Leben Vergessen der Revolutionäre in 7 Folgen

Der siegreiche Teil des globalen interkapitalistischen Konflikts (die Namen sind bekannt), begreift die Führung des Staates als notwendiges Wirtschaftsgut und würde nicht einmal davon träumen, Lockdown und restriktive Maßnahmen in Frage zu stellen (wie es stattdessen der Unternehmerverband tat), da sie weder den Datenfluss, der den Gewinn garantiert (im Gegenteil: Die gesamte Digitalisierung ist durch die restriktiven Maßnahmen für die Gemeinschaft potenziert worden) noch die Akteure im Warenkreislauf betreffen. Sie werden viel schneller durch Automaten ersetzt werden als wir uns vorstellen können und der übermächtige Markt wird alle Illusionen über die Konsistenz eines neuen historischen Subjekts Arbeiterklasse zu Fall bringen.


Ein weitverbreiteter Irrtum in derzeitigen Pandemiezeiten ist es, das Bewusstsein für das Ausmaß der anhaltenden interkapitalistischen Auseinandersetzung aufzugeben. Die Behauptung, dass das Virus die Widersprüche des Kapitalismus aufgedeckt hätte, erkennt die Pandemie nicht als ein Phänomen, in dem sich die durchsetzende Kapitalfraktion ihrer Möglichkeiten der Profitmaximierung versichert. Man könnte angesichts eines mangelnden, den globalen Kapitalismus bekämpfenden, relevanten historischen Subjekts anmerken, dass das Virus als Antithese des Kapitalismus herumgeistert, was mit keiner materialistischen Analyse stimmig ist und nicht einmal als vorläufige Hypothese dienen kann.

3. Innenleben und Lockdown

Aber kommen wir zum Ausgangspunkt zurück.. Die klassenübergreifende Bedeutung der gegenwärtigen Beschränkungen könnte auch zu einer falschen Einschätzung der gegenwärtigen Trends führen. Sie könnten als Anzeichen eines asketischen und calvinistischen Kapitalismus gesehen werden, der auf Verzicht beruht. Mit der optischen Täuschung eines Endes des Konsums, befasst sich ein ebenfalls auf Jakobin veröffentlichter Artikel von Loris Caruso und Francesco Campolongo (die am Ende aber selbst dem Idealismus auf den Leim gehen, indem sie glauben, dass hypothetisch das staatliche Eigentum an Big Data seine an sich entfremdete Natur beheben könnte). Um zu zeigen, dass die gegenwärtigen Beschränkungen in keiner Weise mit der angeblichen Änderung der ethischen Temperatur des Kapitalismus zu tun haben, müssen wir zunächst beginnen, seine Genealogie zu erkennen: rote Zonen, Daspo (repressive Regelungen über die Teilnahme an Sportveranstaltungen, d.Ü.), Ausgangssperre (wie sie gerade für die Jugend in der Pandemie gemacht werden), Maßnahmen gegen das Nachtleben … Sie haben lange vor dem Virus ihren Ursprung, und wir können sie in den Vereinigten Staaten bis in die neunziger Jahre zurückverfolgen; bei uns etwas später. Gleiches gilt für die Auseinandersetzung um „Menschenansammlungen“, die seit den frühen 1980er Jahren als kriminelle Handlungen interpretiert werden. «Jugendliche versammeln sich vor dem Laden in der Ecke. Der Kaufmann bittet sie, sich zu bewegen; sie lehnen ab », schrieben Kelling und Wilson 1982 und fahren dann mit einer düsteren Geschichte über Stadtteile fort, die ins Chaos fallen; das war in der Blütezeit des Hedonismus unter Reagan. Obwohl von Sicherheitserwägungen ausgegangen, zielten diese Einschränkungen darauf ab, Teile der Stadt im Immobiliensinne rentabel zu machen, und waren daher Teil einer neuen Phase der ursprünglichen Akkumulation, die die Stadt und die Formen des städtischen Lebens belastete.

Ich bin daher von der Idee nicht überzeugt, dass der Lockdown, die Spitze der Beschränkungen also, so wie oben beschrieben wurde, das Epizentrum eines Klimas sei (in dem es sogar eine Einladung zur Denunziation und die direkte Anzeige von Sündenböcken auf Facebook seitens institutioneller Verantwortlicher gibt), das „die Gelegenheit böte, sich zu fragen, wie man sein inneres Leben kultiviert“ im Sinne einer „politischen Askese“ (hier im LRDD positiv verstanden: Ich werde später darauf zurückkommen). Ich spreche hier in keiner Weise von der Notwendigkeit des Lockdowns und seiner Beschränkungen, d.h. nicht davon, ob sie günstig und gerecht sind oder nicht, von einer Einschätzung, die uns alle beunruhigt hat, die mich in dieser Phase jedoch überhaupt nicht interessiert; ich leugne nicht, dass der Lockdown die Einschränkungen an eine extreme Schmerzgrenze herangeführt hat und für einige auch paradoxe und vielleicht aufschlussreiche Effekte hervorgebracht hat. Ich behaupte aber, dass unter der Linse des Materialismus, sich das Innenleben offenbart, und ich fürchte, vor allem was Wohnstabilität, Streaming-Abonnements, Hauslieferungen, korrekt und pünktlich gutgeschriebener Einkommen angeht; u.s.w. gute Heizung und der allgemeine Komfort. Es sei gesagt, dass all dies – materialistisch und niemals moralisch gesehen – meine Wenigkeit selbst, wenn auch in einer etwas rauen Apennin-Variante, genossen hat. Wir brauchen den Materialismus, um die Richtung nicht zu verlieren, und dies mehr denn je, wenn wir den Himmel und das göttliche Wirken betrachten.

Disziplinierung und asketische Wirkungen

Was die eigene Gesundheit, die Körperpflege, die gesunde Ernährung und individuelle Performativität angeht … kurz alle Topoi der Askese, die den gesellschaftlichen Klassen im gegenwärtigen kapitalistischen Regime auferlegt werden, bin ich geneigt zu sagen, dass die Rhetoriken der Disziplinierung durch den Calvinismus geprägt sind, nicht aber seine ideologischen und theologischen Prämissen. Der Reiche ist niemals an Askese, Mäßigung und Anstand gebunden. Wie Tamar Pitch schreibt: «Im vorherrschenden gesunden Menschenverstand gelten das Substantiv „Anstand“ und das Adjektiv „anständig“ nicht für alle sozialen Positionen, […:] die Reichen und Mächtigen brauchen sich keine Grenzen zu setzen und müssen nicht „anständig“ sein.» An der Spitze dieser Ideologie (hier Theologie) finde ich also nicht das calvinistische „Profit um Profit“, sondern wieder die ursprüngliche Akkumulation, die diesmal in der Privatisierung der Wohlfahrt angestrebt wurde. Wie üblich geschieht dies nicht ein für allemal, sondern beständig: Das öffentliche Gesundheitswesen wird sozusagen jedes Mal mehr zerbröselt, wenn eine konföderale Gewerkschaft einen Vertrag unterzeichnet, der das „Unternehmenswohl“ berücksichtigt.

Daher kann ich auch hier kein Zeichen einer Askese erkennen, wenn nicht eben in der Rhetorik der Disziplinierung. Darüber hinaus scheint dieselbe Disziplinierung letztendlich nicht darauf ausgerichtet zu sein, Stigmatisierung gegen diejenigen zu erzeugen, die nicht von der Gnade des Erfolgs erleuchtet sind: Sie schafft zunächst einen neuen Raum der ursprünglichen Akkumulation im sogenannten dritten Sektor, einem privilegierten Ort für den Transfer von öffentlichem in private Profite, in prekäre und erpresserische Beschäftigung sowie in die vorbeugende Beilegung sozialer Konflikte im Zeichen der maximalen Aufhebung der Selbstbestimmung des betreuten Subjekts. Was das Geld betrifft, das aus dem staatlichen Hubschrauber geworfen wird, um einen Konsens zum Kapitalismus zu erzielen, so genügt es, die derzeitige schwachsinnige nach Vergnügen strebende heidnische Initiative der Lotterie als extreme Negation zu jeglicher Spannung gegenüber der Askese zu erwähnen.

5. Hin zu einer radikalen Linken der Geselligkeit?

Generell bemühe ich mich darauf zu achten, wo der heutige Kapitalismus gerade in seinen disziplinierenden Auswirkungen „durch Verzicht und Striktheit gekennzeichnet“ ist und ob Askese «im Grunde die Praxis wäre, die „wahlweise“ in kapitalistische Produktionsweisen integriert werden kann» (LRDD). Es handelt sich um die gegenwärtige Produktionsweise, die durch destruktive und katastrophale Verschwendung von Energie und Materie gekennzeichnet ist. Aber selbst in dieser so hypothetisch akzeptierten, scheint es nicht überzeugend zu sein, wie dieser vermeintlichen Askese des Kapitalismus in LRDD -sozusagen- eine positive „Form der politischen Askese entgegengesetzt wird, die in der Fähigkeit besteht, neue Lebensstile, neue Verhaltensweisen, neue Bräuche, neue Regeln des sozialen Spiels vorzuzeichnen».

Die Verwendung des Begriffs Askese in diesem Sinne, der darüber hinaus unglücklicherweise mit „neuen Lebensstilen“ verbunden ist, obwohl er später in einem intersektionellen Sinne „mit der Generation, dem Geschlecht, der Blackness, all jenen Bereichen verbunden ist, die mit Reproduktion und Gesundheit verbunden sind“. bringt mich zurück zu der klassischen Reduktion auf einen tugendhaften Akt im Gegensatz zur kapitalistischen Verwüstung. Die Praxis des tugendhaften Aktes, kann leicht „integriert“, metabolisiert und in den gegenwärtigen „kapitalistischen Produktionsweisen“ verfügbar gemacht werden. Die Konzentration auf den asketischen Gegensatz im Zentrum des (angeblichen) kapitalistischen Askese-Regimes, das auf Schulden basiert, riskiert sie etwa nicht, wie mein Freund Pierpaolo Ascari mich in einer nützlichen Mitteilung zu diesen Themen warnt, uns dazu zu bringen, all jene Personen zu vernachlässigen, die diesbezüglich ihre opportunen Ansprüche gegenüber dem Kapitalismus geltend machen? Und wenn sie dies tun, füge hinzu, ist es dann nicht auf eine Weise und mit Worten, in denen wir Schwierigkeiten haben, uns selbst zu erkennen?

Diese Reduzierung verweist mich dann auf ein weiteres Risiko – was für einige vielleicht eine wünschenswerte Möglichkeit wäre -, eine radikale Linke der Geselligkeit aufzubauen, die darauf abzielt, Räume zu erobern, die vom Kapitalismus vorübergehend vernachlässigt werden (die sich dann möglicherweise, unbeabsichtigt im Hinblick auf seine Rückkehr, verbessern). anstatt sich einen aggressiven Plan gegenüber dem Kapitalismus selbst zu geben. Aber ich werde im zweiten Teil dieser Arbeit darüber sprechen.

Teil II wird demnächst übersetzt.

[1] In sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskussionen, und insbesondere in den gender studies, verweist der Begriff zumeist auf die Arbeiten von Michel Foucault (1926-1984)… In systematischer Hinsicht beschreibt der Begriff einen Modus der Politik, dessen Zielscheiben das Leben der Bevölkerung sowie der menschliche Individualkörper sind. Ergänzt und spezifiziert wird dieses Konzept der Biopolitik durch den Begriff der Biomacht. Biomacht steht für ein Verständnis von Macht, das nicht primär verbietet und beschränkt, sondern produktiv und auf Lebenssteigerung ausgelegt ist. Entsprechend impliziert Biopolitik eine ambivalente, ebenso fürsorgliche wie kontrollierende Form der Machtausübung. (siehe:https://gender-glossar.de/b/item/51-biopolitik)

Ergänzend zur Anmerkung:

Biopolitik / Biomacht

von Andreas FolkersMalaika Rödel

Seit Foucault diese Bestimmungen der Biopolitik und der Biomacht Ende der 1970er Jahre vorgenommen hat, haben eine ganze Reihe von Autor_innen den Begriff aufgenommen, kritisiert, erweitert und auf neue Themen angewendet (vgl. Lemke, 2007; Folkers & Lemke, 2014). Biopolitik wird sowohl zum Stichwort für epochale Gesellschaftsdiagnosen (Agamben, 2014; Hardt & Negri, 2014; Cooper, 2014) als auch zu einem empirischen Forschungsfeld, das vor allem die sozialen Implikationen lebenswissenschaftlicher und biotechnologischer Entwicklungen untersucht (Franklin, 1997; Rose, 2014; Rabinow, 2014). Während einige Autor_innen eine affirmative Biopolitik (vgl. Borsò, 2014) vertreten bzw. die wachsenden Potentiale zur biosozialen Selbstbestimmung im Zeitalter der Lebenswissenschaften betonen (Rose, 2014; Rabinow, 2014), verstehen andere die moderne Biopolitik mit Blick auf den europäischen Kolonialismus, den modernen Rassismus und die nationalsozialistische Vernichtungspolitik als „Nekropolitik“ (vgl. Mbembe, 2014) bzw. „Thanatopolitik“ (vgl. Agamben, 2014, S. 194)

[II] „Anomie“ bei Durkheim Der Begriff der Anomie wurde von Émile Durkheim (1858–1917), der ihn den Schriften des Philosophen Jean-Marie Guyau entlehnt hatte, in die Soziologie eingeführt.[1] Der Rückgang von religiösen Normen und Werten führt nach Durkheim unweigerlich zu Störungen und zur Verringerung sozialer Ordnung. Aufgrund von Gesetz- und Regellosigkeit sei dann die gesellschaftliche Integration nicht länger gewährleistet. Diesen Zustand nannte Durkheim anomie, die beim Individuum zu Angst und Unzufriedenheit führen müsse, ja sogar zur Selbsttötung führen könne („anomischer Suizid“). Durkheim benutzte den Begriff, um die pathologischen Auswirkungen der sich im Frühindustrialismus rasch entwickelnden Sozial- und Arbeitsteilung zu beschreiben. Die damit einhergehende Schwächung der Normen und Regeln für die Allokation von Waren führe zu einem verschärften Wettbewerb und Kampf um die steigenden Prosperitätsgewinne.

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