100 Jahre Ende des ersten großen imperialistischen Kriegs

Beitrag von John Catalinotto (Workers World Party USA) zum Einfluss der russischen Revolution beim Aufstand der organisierten Matrosen und Arbeiter in Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs. 

aus dem Italienischen übersetzt von FHecker


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Il centenario della fine della prima grande guerra imperialista


Ich grüße die Freunde der Frente Popolar und der anderen revolutionären Organisationen, die heute nach Milano gekommen sind. Wir gedenken heute dem 200sten Geburtstag von Karl Marx und dem 101sten Jahrestag der glorreichen russischen Revolution. Ich möchte das so tun, indem ich von einem anderen Gedenkjahr spreche, das eng mit den beiden ersten Ereignissen verknüpft ist. Marx hat uns die wissenschaftliche Theorie geliefert, um die zentrale Rolle der Arbeiterklasse zu verstehen. Und um auch die Widersprüche im Innern der Gesellschaft zu erfassen. Das heißt, vor allem den Widerspruch zwischen der Ideologie der herrschenden Klasse und der realen Erfahrung im Leben, die sich dieser Ideologie widersetzt.

Von was ich heute spreche, ist der Jahrestag der Beendigung des ersten großen imperialistischen Kriegs im Jahr 1918. Und das ist Anlass die Geschichte des Aufstands der deutschen Matrosen – den Arbeitern in Uniform – in der Meeresflotte zu beleuchten. Sie hatten den Hauch der russischen Revolution im Vorjahr eingeatmet, die dem Krieg ein Ende setzte. Der Erste Weltkrieg verursachte 20 Millionen Tote. Die größten Staaten Europas bildeten die zwei Kriegsparteien. Auf der einen Seite Großbritannien, Frankreich und Russland auf der anderen Deutschland und Österreich-Ungarn. Sie waren alle Unterdrückernationen. Das gleiche galt für die Vereinigten Staaten.

Von Anfang an kämpften die Bolschewiki gegen den Krieg. Das taten die in Deutschland wesentlich stärkeren Sozialdemokraten nicht. So leisteten bei Ausbruch des Krieges die deutschen Arbeiter wenig Widerstand gegen den Kriegsenthusiasmus der herrschenden Klasse. Die meisten Deutschen waren im Sommer 1914 vom Fieber des chauvinistischen Krieges angesteckt. In Frankreich und Großbritannien standen die Dinge nicht anders. Millionen junger Deutscher verpflichteten sich freiwillig für die Armee und gingen an die Front.

Die ganzen Illusionen deutscher, französischer und britischer Soldaten wurden in den Schützengräben der westlichen Front begraben. Das war kein ruhmreicher Wettbewerb von Geschicklichkeit und Mut. Das war Schlamm, Kälte, Hunger und die Eintönigkeit des Stellungskriegs. Und das war der zufällige Einschlag des Artilleriegeschosses. Das war die Angst vor dem plötzlichen Tod oder noch schlimmer, einem langsamen Tod. Man braucht nur an die Schlacht an der Somme in Frankreich vom Juli bis November 1916 zu denken. 420.000 englische, 200.000 französische und 500.000 deutsche Soldaten sind darin umgekommen, verletzt worden oder verschwunden.

Gleichzeitig wurde das Leben für die meisten im Vaterland der Deutschen immer miserabler. Im Januar 1918 wurde in Deutschland der Generalstreik ausgerufen. Er war erfolglos. Das Deutsche Reich schickte Tausende gewerkschaftlich organisierte Arbeiter zur Bestrafung an die Front. Die Antwort der Arbeiter war die Organisierung innerhalb des Heeres. Man konnte meinen, dass sich der Aufruhr zunächst in der Infanterie ausbreitete, die am meisten zu leiden hatte und am wenigsten Anerkennung oder Ruhm bekam.

Jedoch nein. Im Gegensatz zur Infanterie, die massenweise unter den Millionen deutschen Bauern rekrutierte, brauchte die Marine Matrosen, die Erfahrung im Umgang mit modernen Maschinen hatten. Aus diesem Grund wurde innerhalb des Proletariats der Industriestädte rekrutiert. Die Kriegsschiffe waren eine Mischung von Fabrik und Gefängnis. Die privilegierten Offiziere wurden separat mit weitaus besserer Verpflegung versorgt. Ihre Befehle erlaubten keine Diskussion, sondern lediglich Gehorsam.

Gegen Ende Oktober glaubten die Matrosen, dass die Admirale die Flotte in eine Suizid-Mission in Flandern schickt. Und die Matrosen wollten keinen Selbstmord machen. Sie verweigerten deshalb, den Anker zu lichten, oder sie löschten das Feuer der Dampfmaschinen. So führte keines der Schiffe den Befehl aus. Als diese in ihre Heimathäfen zurückkehrten, arretierte die Marine 600 der Matrosen, die an der Unterbrechung der Vorbereitungen beteiligt waren. Sie beschuldigten sie der Meuterei. Die Matrose des Dritten Geschwaders in Kiel verlangten die Freilassung ihrer eingesperrten Kameraden. Dies wurde verweigert und die Matrosen riefen daraufhin zu einer Protestversammlung am 2. November im Saal des Gewerkschaftshauses auf. Etwa 3000 Matrosen zogen durch die Kaserne, um die übrigen Matrosen aufzufordern, sich ihnen anzuschließen. Die Offiziere schossen auf die Demonstranten, wobei sie acht von ihnen töteten und 29 verwundeten., darunter einige Matrosen, die aus Arbeiterfamilien kamen.

Unter Hinweis auf die russische Revolution wählten die Truppen einen Matrosenrat. Am 4. November gab er 20000 Gewehre an die Matrosen aus und ein jeder erhielt 60 Patronen. An diesem Morgen flatterten auf den Schiffen der Flotte die rote Fahne. Die Matrosen wussten, dass der einzige Ausweg, einer Bestrafung zu entkommen, in der Rebellion lag. Überall gingen die Matrosen an Land, die organisierten Arbeiter streikten und sie schlossen sich ihnen an.

Die Generale schickten das Heer, um die Bewegung der Matrosen zu zerquetschen. Bevor jedoch geschossen wurde, kam es zur Diskussion mit den Truppen des Heeres. Es endete damit, dass sie sich der Bewegung anschlossen. „Es stellte sich heraus, was für ein Sumpf das alte System geworden ist. Oft reichte nur aus, dass eine kleine Einheit bewaffneter Matrosen an Land ging, um innerhalb weniger Stunden wichtige und große Städte in die Hände der Revolution zu geben.“

Am 6. November war alle Hafenstädte des Nordens unter Kontrolle der Arbeit-, Soldaten und Matrosenräte. Und das galt auch für auch Hamburg. Was als eine Revolte der Matrosen begann, wurde zu einer politischen Revolution. Hauptsächliches Ziel der Revolte in der Nordmeerflotte war Berlin, die Hauptstadt des Reichs. Der deutsche Generalstab hatte seit 1916 dort eine Kommandokette eingerichtet. Er hatte die Schlüsselpunkte der Stadt festgelegt, die vom Heer zu kontrollieren waren: Eisenbahnstationen, Postämter und der Palast des Kaisers. Auf der Karte war der Plan perfekt ausgearbeitet. Es gab nur ein großes Problem: Es wurden dafür gehorsame Truppen gebraucht, die ihn ausführten. Die aber fand man nicht.

Am 6. November besaß der preußische General Alexander von Linsingen, der Verantwortliche für die nicht enden wollende Repressionsmaschinerie, die Frechheit eine Demonstration, angesagt für den folgenden Tag, zu verbieten. Die Arbeiter wollten den ersten Jahrestag der russischen Revolution feiern.  Das taten sie auch trotz Verbot.

Es war Samstag der 9. November 1918, als die Arbeiter spontan einen Generalstreik begannen und die Fabriken Berlins stilllegten. Widerstand seitens der alten Regierung, gab es nicht. Der Kaiser dankte ab. Zwei Tage danach, am 11. November 1918, war der Krieg zu Ende.

Bilder: Wikipedia Kieler Matrosenaufstand


John Catalinotto (New York, 1942), Mathematiklehrer an der City University in New York, ist Journalist, Übersetzer und Organisator. Seit 1982 ist er Chefredakteur der einzigen linken Wochenzeitung in den USA, „Workers World“. Während des Vietnamkrieges, war er aktiv in der American Servicemen’s Unio, eine Soldatengewerkschaft, die den Krieg bekämpfte. Als Mitglied des International Action Center von Ramsey Clark, engagierte er sich gegen die US-amerikanischen und Nato-Kriege in Jugoslawien, dem Irak, Afghanistan und Syrien sowie gegen die US-Interventionen in Mittelamerika.

Er schreibt Beiträge für die portugiesischen Zeitungen Avante und odiario.info sowie Galician Terra Tempo. Er gab zwei Bücher heraus: Metal of Dishonor über abgereichertes Uranium (1997) und Hidden Agenda: the U.S.-NATO Takeover of Yugoslavia [Versteckte Agenda: die Übernahme von Jugoslawien durch die USA und die NATO] (2002).

Er veröffentlichte 2017 das Buch Turn the Guns Around: Mutinies, Soldier Revolts and Revolutions, über die Revolten der Soldaten, von Russland 1917 bis zu den USA im Vietnamkrieg.

John ist Mitglied von Tlaxcala.

 

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