C’est la France, c’èst la democratie francaise, Parte I

FHecker

Der 6. Samstag in Folge: Die Gilets Jaunes en marche. Für‘ s deutsche Gemüt etwas Unvorstellbares und ebenso unerklärlich. Ich hatte heute Besuch von einer Frau, die seit Jahren im hiesigen Wohnungslosenheim wohnte. Sie wurde kurzerhand von der Leiterin auf die Straße gesetzt, weil sie sich weigerte ihrer Aufforderung nachzukommen, nicht mit Drogensüchtigen der gegenüberliegenden Substitutionspraxis zu reden. Anmerkung: das geschieht im Umkreis der katholischen Caritas, dessen Oberhaupt sich die Gloriole der Füße waschenden Wohltätigkeit für Obdachlose  medial verpassen lässt. Man kann der Frau nur raten, sich einem pilgernden Betkreis nach Rom anzuschließen,  um sich die Füße waschen zu lassen. Leider haben unsere Wohnungslosen keine Träume., jedenfalls keine wie in Bunuels Film, la voie lactée.

Ein Armutsrentner berichtete mir, wie er auf der kommunalen Wohngeldstelle abgeschmettert wurde, er sagte: „das alles mit Trick 3.“ D.h. man nehme Beamte, denen früher durch das Tintenfaß und heute durch die Tastatur, die hohen Werte der Menschlichkeit ausgetrieben wurden. Man zahle ihnen ein Gehalt, das eben gerade dazu reicht, die mépris de la classe kräftig wachsen zu lassen. Das ist Trick 2. Denn je näher eine*r mit einem Einkommen im öffentlichen Dienst an der Armutsgrenze steht, desto sicherer kann man sein, dass er oder sie kräftig nach unten tritt. Die oberen Chargen brauchen das nicht. Sie lassen das ihre Untergebenen machen. Er oder sie sagt dann zuerst: Da müssen wir erst mal Ihren Anspruch prüfen, das sieht nicht gut aus. Wird auf eine Antragstellung bestanden, wird der, die Antragsteller*ìn mit wahren Bürokratenschlangen bombardiert. „Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, bei Durchsicht Ihrer Unterlagen stellten wir fest… Wir bitten Sie, uns die fehlenden Belege noch zukommen zu lassen. Mit freundlichen Grüßen.“

„Ein ganzes Heer nichtsnutziger Fresser haben sie eingestellt, um uns still zu halten.“, sagt Jacques als ich mit ihm telefonierte, um mich über unsere Sache, la notre chose auf dem Laufenden zu halten. Das ist die mépris de la classe meines Schwagers Jaques. Er lebt von einer kleinen Rente, die ihm der französische Staat für seine Unterdrückerdienste während der badischen Besatzungszeit  zukommen lässt. Er hat das alles bitter bereut, sagt er. Aber als kleiner Kolonialfranzose in Algerien, sich der FLN anschließen? So hat er eine deutsche Frau geheiratet, „die Hochzeit war schön, die Frau danach weniger.“ Er hat immer, wenn er von ihr zum Friseur geschickt wurde, um sich einen Landserschnitt verpassen zu lassen, ein kleines Gedichtbändchen mitgenommen.

„Je suis Franςois/Né de Paris emprès Pontoise,/Et de la corde d’une toise/Sçaura mon col que mon cul poise“ (Wer eine Übersetzung braucht, schau bei Wikipedia nach). Ja Villon war sein bevorzugter Poet. Als ich ihm einmal gestand, dass ich es mit Heine hätte, war ich ihm seines ganzen Mitleids sicher. Ja ich geb ja zu, dass schon allein die Melodie der Worte, bei Villon dem Inhalt den Rang abläuft. Wie ist es aber dann, wenn man ihn versteht? Er wird zur göttlichen Komödie. Wenn Heine im Wintermärchen über die Deutschen dichtet:

Noch immer das hölzern pedantische Volk,

Noch immer ein rechter Winkel

In jeder Bewegung, und im Gesicht

Der eingefrorene Dünkel.

So denke ich doch, er hätte da noch einen rechten Winkel zur Sprache einbauen müssen. Der freche Heine, er hatte es geahnt, jedoch nicht gedichtet. Jedenfalls schrieb er gleich in erster Zeile im Vorwort seiner Caputs: „Das nachstehende Gedicht schrieb ich im diesjährigen Monat Januar zu Paris, und die freie Luft des Ortes wehete in manche Strophe weit schärfer hinein, als mir eigentlich lieb war.“ Kein Wunder, ist die Hymne der Franzosen von 1792, die Melodie und der Text aus einem Stück gemacht, von der revolutionären Begeisterung von Monsieur Claude Joseph Rouget de Lisle. Was ist gegen das Marchons, marchons der Marseillaise, das rechte Winkel Deutschlandlied? Die Melodie für Kaiser Franz, der Text für die Schützengräben des deutschen Imperialismus. Und was für ein  historischer Unterschied! Im einen geht’s gegen die Tyrannen (gegen die der Deutsche nichts hat; es sei denn sie leben außerhalb des „deutschen Raumes“), im anderen gegen die Feinde der nationalen Bourgoisie, wobei manche, nicht nationale Geister böse behaupten, dass mit der ersten Strophe, die Deutschen ja doch schon erheblich weitergekommen sind.

Trotz der wunderbaren Marseillaise (ich singe sie begeistert mit und denke zu Macron, es ergeht dir wie Monsieur Véto in der Carmagnole), sind die Gilets Jaunes eifrig dabei, ihre eigene Hymne zu finden. An Vorschlägen gibt es genug, zu jener, die  gestern in den Straßen von Paris, im Quartier des Halles und auf den Champs Elysée vom Peuple intoniert wurde, habe ich bisher nichts im WWW gefunden.  Doch da ich in meinem Alter zum Traditionalisten verdammt bin,  habe ich nichts gegen folgende Version:

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