Ungleichheit so groß wie vor 100 Jahren

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„Das Jahr 2017 geht zu Ende. Die Wirtschaft entwickelte sich mit 2,3 % Wachstum in diesem Jahr gut, die Beschäftigung nahm weiter zu und die Auftragsbücher der Unternehmen sind prall gefüllt. Also, alles im Lot!? Weit gefehlt! Denn vom Erfolg der deutschen Wirtschaft profitieren immer weniger Menschen. Die Einkommen sind so ungleich verteilt wie im Jahr 1913, also unmittelbar vor dem 1. Weltkrieg, zeigt eine neue Studie. (siehe dgb/klartext, Artikel)

Es ist wohl kaum verwunderlich, welch „ideologisches Vermögen“ dem Zitat zu Grunde liegt, jedoch erstaunlich, dass es fast unverschämt offen preisgegeben wird. Man könnte anmerken, wenn die Prämissen stimmen, ist die Kritik in immanenten Bahnen und der öffentlich kritische Disput eröffnet.

„Mehr als 100 WissenschaftlerInnen um den renommierten Verteilungsforscher Piketty haben im „Weltreport über Ungleichheit“ herausgefunden, dass die Ungleichheit in Deutschland stetig zunimmt. So beträgt der Anteil der Einkommen der reichsten 10 % vor staatlicher Umverteilung mehr als 40 % des Gesamteinkommens. Auf der anderen Seite bekommt die einkommensärmere Hälfte gerade einmal 17 % der Einkommen (siehe Abbildung). Das ist das gleiche Gefälle wie vor mehr als 100 Jahren…“ (siehe dgb/klartext, Artikel)

Also, alles im Lot!? Weit gefehlt! und der Autor des Artikels ist bekümmert, dass immer weniger Menschen „vom Erfolg der deutschen Wirtschaft profitieren.“ Aber mit einer emotionalen (moralischen) Feststellung ist nichts erklärt, sondern alles verschleiert, v.a. die Frage, wer eigentlich und wie am „Erfolg der deutschen Wirtschaft“ profitiert. Ist aber Profit nicht eine Kategorie, die ausschließlich dem Kapital anhängig bleibt? Schon A. Smith schrieb im Wohlstand der Nationen:

„Die gesamte Jahresproduktion des Bodens und der Arbeit jedes Landes, oder, was zur gleichen Sache kommt, der gesamte Preis dieses Jahresprodukts, teilt sich natürlich, wie bereits festgestellt wurde, in drei Teile: die Pacht des Bodens, die Löhne der Arbeit und die Gewinne der Vorräte; und stellt ein Einkommen für drei verschiedene Ordnungen von Menschen dar; für diejenigen, die von der Pacht leben, für diejenigen, die von den Löhnen leben, und für diejenigen, die von den Gewinnen leben. Das sind die drei großen, originellen und konstituierenden Ordnungen jeder zivilisierten Gesellschaft, aus deren Einnahmen letztendlich die Einnahmen jeder anderen Ordnung abgeleitet werden. Adam Smith: EINE UNTERSUCHUNG DER NATUR UND DER URSACHE DES WEALTH OF NATIONS. Buch 1. Kapitel 11.“
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator

Wer sich in Abarbeitung des Smith`schen Zitats zur kapitalistischen Produktionsform durchdringt, kommt um K.Marx nicht herum, der feststellt, dass „das eigentliche Produkt des Kapitals“ der Profit darstellt (in: Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S. 707). Die Ungleichheit liegt seit der Kritik der kritischen Kritik in der Natur der Sache: denn das ökonomische Ziel der Produktionsform ist die Ursache der Ungleichheit oder anders ausgedrückt, fällt der Profit weg,  dann fällt die kapitalistische Ungleichheit und ihre Produktionsform.

Und da kommt Piketty und die Bedeutung der Verteilungsfrage ins Spiel. In dem als „Jahrhundertwerk“ gepriesenen Band „Das Kapital, im 21.Jahrhundert“ schreibt er:

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Und weiter schreibt er, dass die Wissenschaft dazu beitragen könne, „den Inhalt der Debatte immer wieder neu zu bestimmen… und immer wieder zu bezweifeln und in Frage zu stellen.“ Hierin sieht er seine Rolle als Bürger, der mit akademischen Weihen gesegnet ist, der über die nötige Zeit verfügt, also privilegiert und dazu noch bezahlt wird. Der Geist dahinter scheint der des 19. Jahrhunderts, wie der der deutschen Republik und bürgerlich demokratischen Gesinnung ferner Zeiten, so wie sie sich auch im Bürgerlied (1815) ausdrückt: Der zugegeben nur noch schwache Geist des im Reformismus erschöpften intellektuellen Europa, ein laues Lüftchen, das deshalb wohl in der politischen Ökonomie nicht zufällig, ausschließlich in der Umverteilungssphäre des Kapitalismus die Lösung der ausgemachten Probleme sucht. Bürgerliche Ökonomen meinen, eben nicht ganz uneigennützig, dass nur das Drehen an der Umverteilungsschraube genügte, um der ökonomischen Gleichheit der Akteure der kapitalistischen Produktionsweise Tribut zu zollen.

Aber um wie viel klarer ist die Analyse Rosa Luxemburgs, wenn sie 1913 schreibt:

Die kapitalistische Akkumulation hat somit als Ganzes, als konkreter geschichtlicher Prozess, zwei verschiedene Seiten.
Die eine vollzieht sich in der Produktionsstätte des Mehrwerts – in der Fabrik, im Bergwerk, auf dem landwirtschaftlichen Gut – und auf dem Warenmarkt. Die Akkumulation ist, von dieser Seite allein betrachtet, ein rein ökonomischer Prozess, dessen wichtigste Phase zwischen dem Kapitalisten und dem Lohnarbeiter sich abspielt, der sich aber in beiden Phasen, im Fabrikraum wie auf dem Markt, ausschließlich in den Schranken des Warenaustausches, des Austausches von Äquivalenten bewegt. Friede, Eigentum und Gleichheit herrschen hier als Form, und es bedurfte der scharfen Dialektik einer wissenschaftlichen Analyse, um zu enthüllen, wie bei der Akkumulation Eigentumsrecht in Aneignung fremden Eigentums, Warenaustausch in Ausbeutung, Gleichheit in Klassenherrschaft umschlagen.“

Rosa Luxemburg 1913, Ära unverhüllter Gewalt

Letzteres ist der eigentliche Grund der Ungleichheit im Kapitalismus und ihre Beseitigung ist eben nicht durch ein Herumschrauben in der Umverteilungssphäre des Staates zu erreichen. Immerhin sieht Piketty an Hand seiner Zahlen, dass die Zeit in Hinsicht der Verteilungsfrage um hundert Jahre zurückgedreht wurde. Wie es aber scheint, hat der DGB nichts zu bieten, was diesem System der Akkumulation und seinen destruktiven Auswirkungen von Armut, Krieg und Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen die Stirn bieten könnte.

FHecker

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