Der „Nazi-Wüstenfuchs“ in den Valcellina-Bergen

Quelle der Übersetzung: „Il senso del PD per il camerata Rommel“, da Nicoletta Bourbaki·Mercoledì 4 ottobre 2017

rommel_trail
Das Werbebanner des Rennens: Beachten Sie das FVG Region Logo unter den Sponsoren „.

Der Werbe-Claim der Initiative wird inspiriert durch die Anwesenheit des jungen Erwin Rommel, dem späteren Nazi-Kommandanten, auf den Rennplätzen während des Ersten Weltkriegs. Es wird ein triviales Laufrennen gegeben, das sich ganz einfach an dem hundertjährigen Jubiläum eines historischen Ereignisses orientiert, um die Schönheiten „eines der höchsten Wildnisgebiete Europas“ zu bewerben.

Das Sportereignis hat eine breite Palette von Partnern und Sponsoren, angefangen vom Bevölkerungsschutz – der in der FVG von der Region abhängt – bis hin zum Nationalen Alpenverein und es tangiert verschiedene Gemeinden Friauls. Die Region Friaul-Julisch Venetien, regiert von der Rechtsanwältin Debora Serracchiani der PD (Partito Democratico), hat einen Zuschuss von 9.900 Euro gezahlt. Das erklärte Ziel ist es darüber hinaus, „die Veranstaltung mit der Bekanntmachung und Weiterentwicklung dieser Orte zu verknüpfen und ihnen ein Profil der Sichtbarkeit zu geben, das sie heute nicht genießen“.

Für uns schien die Idee sofort wie ein weiterer Versuch, der von denjenigen, die die Geschichte durch den Wolf drehen – oder besser gesagt, vernichten – gefunden wurde, um mit touristischen Routen und Souvenirs davonzukommen. Es ist eine Route, die bereits von denjenigen markiert ist, die Museen des Faschismus in Predappio und Kriegsspiele vorschlagen, die die Befreiung Mussolinis aus der Gefangenschaft auf dem Gran Sasso beschwören. Der Preis, der für diese Werbe- und Tourismusinitiativen gezahlt werden muss, ist der der Verharmlosung des Nationalsozialismus, auch wenn sie hinterhältig und durch Verweise auf das, was für die Urheber des Trail als konsolidierter Mythos erschienen sein mag: die Figur von Rommel als militärischer Führer, der sich nicht mit der Ideologie des Nationalsozialismus verbunden fühlte und Teil des Komplotts zur Ermordung Hitlers gewesen wäre. Wie schade für sie, dass es ein falscher Mythos ist.

Es waren nicht gerade wenige, die versuchten die PD zu sensibilisieren. Doch dann verbreitete sich die Nachricht von der Unterstützung durch die Region für einen Laufwettbewerb, benannt nach einer der Protagonisten des Dritten Reiches und des Nazi-Kriegs. Aber es ist inzwischen klar, dass die Kritiken an der Demokratischen Partei nicht nur an ihr abprallen, sondern in der überwiegenden Mehrheit der Fälle produzieren sie  auch die klassischen Patches schlimmer als das Loch selbst. Dieses Mal war es am Vittorino Boem, Regionalrat der PD, für seinen Par(tito) mit einer Konzentration von Arroganz und historischen Schnitzern zu antworten…

„Gewissen verzweifelten ideologischen Interpretationen begegnen wir mit der Ruhe derjenigen, die sich den Antifaschismus von niemandem lehren lassen, und dem Bewusstsein derer, die den Ersten nicht absichtlich mit dem Zweiten Weltkrieg verwechseln. Die Tatsache, dass Rommel seine Selbstmordtage beendet hat, weil er an der Verschwörung teilgenommen hat, um Hitler zu beseitigen, ist vielleicht ein kleines wichtiges Detail, aber man könnte sich auch daran erinnern.“

Auf Grund der Tatsache, dass niemand  denen in der PD den Antifaschismus beibringen kann, beziehen wir uns natürlich auf unsere Untersuchung „CasaP(oun)D. Beziehungen zur extremen Rechten im Bauch der Renzi-Partei  “ (Gemeint ist die Partei von Matteo Renzi: bis 2016 Präsident des Ministerrates der italienischen Republik, d.Übers.)

Nun ist es notwendig, noch zu bemerken, dass, wenn es jemanden gibt, der den Ersten und Zweiten Weltkrieg verwechselt, es genau diejenigen sind, die daran gedacht haben, einen Wettlauf auf dem Schlachtweg von 1917 zu organisieren, den sie nach dem Spitznamen von Rommel benennen, den er sich zwischen 1941 und 1943 im Feldzug von Nordafrika „eroberte“. Rommel selbst diente dem besseren Verständnis beider Länder, denn Hitler schickte seinen Feldmarschall, um für Mussolini die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Diese Intervention, beinhaltete unter anderem die Verfolgung der tunesischen Juden , wie sie vom Historiker Raul Hilberg, dem renommierten Gelehrten des Nazi-Völkermords, detailliert rekonstruiert wurde.

Vor allem aber sei daran erinnert, dass die beiden Weltkriege eine enge historische Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg hatten, in vielerlei Hinsicht eine direkte Folge der Situation in Europa nach dem Ersten Weltkrieg.

Was das „unwichtige Detail“ der Beteiligung Rommels an der Verschwörung zur Ermordung Hitlers betrifft, so muss man sagen, dass dieses Detail sogar völlig irrelevant ist. Die enorme Produktion an Studien von Joachim Fest, dem bedeutenden Historiker des deutschen Nationalsozialismus, enthält auch einen Titel, den Boem offensichtlich nicht gelesen hat, obwohl er in Dutzende von Sprachen übersetzt wurde. Darunter befand sich auch eine ins Italienische übersetzte, nämlich „Objective Hitler, Widerstand gegen den Nationalsozialismus und das Attentat vom 20. Juli 1944 „. Fest schreibt in diesem Buch, dass Rommel „kein Gegner des Regimes“ war und dass es den Verschwörern nie gelungen sei, Unterstützung für ihre Sache zu gewinnen „. An jenem 20. Juli lag Rommel drei Tage im Koma, und als er wieder gesundete und die Nachricht erfuhr, hätte er seiner Frau geschrieben, dass er sehr erschüttert gewesen wäre.

In derselben (obigen) Stellungnahme von Boem ist zu lesen:

„Wir haben es hier nicht mit einer Feierstunde für die Nazi-Armee zu tun: eine Idee, die in Dutzenden von öffentlicher Körperschaften, Verbänden und Privatpersonen nie aufgeblüht ist und die des Revisionismus unverdächtig sind. Sie haben wie der Nationale Alpenverein, auf verschiedene Weise eine Initiative zur Förderung der Region unterstützt.“

 Zur Tatsache, dass die Alpini des Revisionismus nicht verdächtig sind, steckt ein Funken Wahrheit: Es ist keine „Re-Vision“, sondern eine konsolidierte und nie in Zweifel gezogene Vision: Es sind nicht selten, auf den Seiten der ANA – die 2001 wieder die Veteranen der kollaborativen Abteilung „Monterosa“ akzeptiert hat – stolze Bekenntnisse zum Beitrag der Alpini zum größten Ruhm Italiens unter Mussolini zu lesen. Der Nationale Alpenverein von San Giorgio di Nogaro (Udine) tut dies auf diesen Seiten, wo in zwei Absätzen die Teilnahme an der kolonialistischen Besetzung Äthiopiens, die Invasion Griechenlands, der katastrophale Feldzug gegen Russland und die Besetzung Jugoslawiens verherrlicht werden. Alles mit dem Feigenblatt der Teilnahme am Befreiungskrieg, „um die Freiheit und nationale Unabhängigkeit wieder zu erlangen“, aber ohne zu sagen, dass alle oben erwähnten Kriege deshalb geführt wurden, um anderen die Freiheit und nationale Unabhängigkeit zu nehmen.

Kurzum, die Erfindung des Rommeltrail zum territorialen Marketing basiert darauf, dass ein falscher Mythos diesen Mann umgibt, der während des Zweiten Weltkriegs unter anderem Kommandant der Nazis in Norditalien während der Monate des Falles des Faschismus und dann des Waffenstillstands vom 8. September war. In dieser Rolle übernahm der nette „Fuchs der Wüste“ unter anderem die Aufgabe, die Partisanen und den Volksaufstand in den Gebieten Isontino, Istrien und Gorski Kotar auszumerzen. Angesichts des Mythos der Wehrmacht „gut“ vs. die „böse“ SS übertrug er die Aufgabe dem „II. Panzerkorps der SS“ unter der Befehlsgewalt des SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS Paul Hausser. Dieser bewältigte die Aufgabe mit dem Eifer, der seinen Korps auszeichnete: Aussaat von Blut und Terror in den besetzten Gebieten. Allem Anschein nach missfiel das dem Kommandant der Wehrmacht, der ihm diese Aufgabe anvertraute, nicht sonderlich.

Zur gleichen Zeit ließ Rommel Hunderttausende Italiener, Zivilisten und Militärs aus Norditalien nach Deutschland deportieren. Nach Schätzungen des deutschen Militärhistorikers Gerhard Schreiber etwa 183.000 Zwangsarbeiter.

zwangsarbeitschiene(Empfehlung des Übersetzers: bessere Details siehe hier

Unter ihnen, scheint es, war auch Terzo Giordani, Major der Alpini, der am 8. September 1943 von deutschen Soldaten unter Rommels Kommando verhaftet und nach Deutschland deportiert wurde, von wo aus er in einem Sarg nach  Claut zurückkehrte. Die Sektion Claut des Nationalen Alpenvereins Claut hat ihm seinen Namen gewidmet… aber die Gemeinde gehört auch zu den Sponsoren des Rommeltrail. Eine groteske Bemerkung zu einer ohnehin schon recht paradoxen Geschichte: Wenn es etwas gibt, das Nicoletta Bourbaki sicherlich hasst, dann ist es die Rhetorik zum Nationalstolz. Aber wie soll man nicht bemerken, dass mit diesem Wettlauf der Partei der Nation ihnen die Figur eines Militärkommandanten in den Kopf gestiegen ist, der sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg ein Feind dieser Nation war?

Diese Angelegenheit enthüllt wie üblich den Tic und die Leichtfertigkeit, mit der dramatische und bahnbrechende historische Ereignisse in Italien abserviert werden. Das geht bis zum Punkt der Rehabilitierung von Personen, die in anderen Ländern – auch in den Ländern, aus denen sie stammen! – zumindest mit äußerster Vorsicht behandelt werden. Wenn im angelsächsischen Kontext der Mythos von Rommel pünktlich abgebaut wurde – und damit bewies, dass dies das Ergebnis einer Notwendigkeit war, um eine schnelle Wiederbewaffnung Deutschlands in den fünfziger Jahren, in antisowjetischer Funktion zu ermöglichen und um damit einen Teil der deutschen Militärkader zu rehabilitieren -, so wurde dieser Mythos in Deutschland selbst sogar ex post auf seine Verantwortung hinterfragt. Der Historiker Jörg Müllner verwies in einer ZDF-Dokumentation mit dem Titel „Rommels Krieg“ aus dem Jahr 2007 auf den Mythos, dass Rommel einen „sauberen Krieg“ in der Wüste geführt habe, und argumentierte, dass seine Aktion im Gegenteil darauf abzielte, das Feld auf den Export der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in den Nahen Osten vorzubereiten. Siehe auch die Dokumentation deutscher Historiker im Jahr 2013.

In Italien hingegen lohnt sich alles, vielleicht, weil eine Abrechnung mit der Vergangenheit nicht nur nie stattfand, sondern auch mit der Vergangenheit Scheiße in Gold verwandelt wurde. Und unter diesem Gesichtspunkt ist die Ostgrenze, wie wir mehrfach geschrieben haben, ein paradigmatisches Beispiel, das reich an falschen Mythen ist. Deshalb ist diese x-te Geschichte, so sekundär sie auch sein mag wie ihr wollt: es sind Mythen, die alle wieder ins Feld geführt werden: Rommel, der 1943 das Reich zurück nach Triest brachte (der rostfreie Mythos der Austronostalgie), Rommel, der nach dem Partisanenaufstand im September (der ewige Mythos für die Nazi-Faschisten jedes Reiches) wieder die Ordnung herstellte, Rommel, der 1917 die italienischen Eindringlinge vertrieben hatte (Mythos, das julianische und friaulische Unabhängigkeitsaktivisten träumen lässt, bis hin zum Glauben, dass im September 1943 „«i tedeschi ne gà liber໓ (die Deutschen sie befreiten) [zit.]).

In Friaul-Julisch Venetien muss das territoriale Gedächtnis den Irrenditismus, den Faschismus und die Austronostalgie zusammenhalten: in einer ewigen Neudefinition erfundener Identität, aber rein und zeitlos. Um sein absurdes Gleichgewicht zu bewahren, braucht es den ewigen slawisch-kommunistischen Feind, der letztlich alle zusammenführt.

[Übersetzung: fhecker]

 

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