Wir brauchen nicht nur die Produktionsmittel, sondern müssen auch den Produktionsprozess kontrollieren.
Autor: Roberto Greco
Dem medialen Deutschlandbild Wintermärchen zum Trotz entwickelt sich der Widerstand gegen die Politiken des Neoliberalismus kontinuierlich hin zu einer hörbaren sozialen Bewegung, die sich aus ganz unterschiedlichen Segmenten der Gesellschaft zusammensetzt.
Der Gründungsprozess einer Landesarmuts-konferenz Baden Württemberg kann aus diesem Kontext heraus durchaus interpretiert werden. Seit drei Jahren wurde seitens der Wohnungslosen daran gearbeitet und vergangenen Samstag (10.03.2012) war es dann soweit. Um 17 Uhr 30 stellte der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft wohnungsloser Menschen nach inhaltlicher Diskussion und Wahlen fest: Die Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg ist hiermit gegründet.
Den Teilnehmer/Innen wurde ein intensives Nachmittagsarbeitsprogramm abverlangt. Sie stammten aus allen Teilen des Landes und aus den unterschiedlichsten Erfahrungsbereichen gesellschaftlicher Armut. Es überwiegte die Betroffenheit: Erwerbslose: Wohnungslose, Working Poor, Migration, Frauen. Es gab Betroffene, die aus Hessen anreisten und sich in die Diskussion einbrachten und vertreten waren einzelne Personen aus den Wohlfahrtsverbänden (Caritas, Diakonie, Tafeln), den Gewerkschaften (DGB), der katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) und aus dem Wissenschaftsbereich. Von den Parteien waren Vertreter der Piratenpartei, der Linken und von den Grünen anwesend. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen überbrachte unterstützend, zum Gelingen der Gründung, durch den Wahlkreisabgeordneten Thomas Marwein (MdL)Grußworte an die Versammelten.
Diskussion und Ergebnisse
Zu Beginn standen zwei Beiträge der Wohnungslosen als Input zur Historie, Themenbereichen und der organisatorischen Umsetzung der Arbeit einer Landesarmutskonferenz. Sie orientierten sich an drei Leitfragen für die darauffolgende Diskussion: Was wollen wir? Welches Selbstverständnis haben wir? Wie wollen wir arbeiten. Beim Selbstverständnis und den Arbeitsstrukturen gab es einen breiten Konsens, dass sich die Landesarmutskonferenz als Bestandteil der europäisch sozialen Bewegung versteht, die ein breites Bündnis der von Armut Betroffenen, ihrer Organisationen und Initiativen anstrebt. Auch Verbände und Gewerkschaften sind willkommen, wenn sie die basisdemokratische und kampagnenorientierte Ausrichtung der Landesarmutskonferenz befürworten.
Bei was wollen wir, ging es um die systematische Unterversorgung der Migranten ebenso wie um Billiglöhne und der Forderung nach einem Mindestlohn von 10 € aber auch um Gesundheitsvorsorge, Wohnung. unbürokratische Hilfe, also um ein menschenwürdiges Leben. Es ging um Solidarität mit den Kämpfen der europäischen Bevölkerungen gegen Banken-, Schuldenkrise, Erwerbslosigkeit, Hartz IV-Modell und Wohnungslosigkeit und es ging um Visionen einer anderen Gesellschaft, die sich demokratisch, europäisch und sozial aufstellt.
Widersprüche ergaben sich als ein Vertreter der Diakonie davon sprach, dass die Liga für freie Wohlfahrtspflege zusammen mit dem DGB Land Baden Württemberg ebenfalls die Gründung einer Landesarmutskonferenz beabsichtige. Das stieß teilweise auf Verwunderung aber auch Erheiterung, da die Landeswohlfahrtsverbände ausreichend informiert und zur heutigen Gründungsversammlung eingeladen waren. Sie hätten heute eigentlich hier ihre Bereitschaft zu einer Mitarbeit bekunden können, wenn es ihnen mit einer betroffenenorientierten Politik einer Landesarmutskonferenz ernst wäre, sagte ein Sprecher der LAG-Wohnungslose.
Im Übrigen legten die Organisatoren der Landesarmutskonferenz eine erstaunliche Professionalität an den Tag, der für die Zukunft dieses neugegründeten Zusammenschlusses des sozialen Protestes für die Zukunft nur Positives bedeuten kann. In dem in letzter Arbeitsrunde gewählten Aktionskomitee, das zwischen den Armutskonferenzen arbeitet, ist die Bandbreite der Gründungsversammlung wiederum abgebildet: Betroffeneninitiativen, Basisprojekte, Wissenschaftsbereich. Wir werden sicherlich noch von der Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg hören. Zur Mitarbeit aufgerufen sind weiterhin alle, die sich der neoliberalen Armutspolitik entgegenstellen.
Email an die Landesarmutskonferenz genügt!
landesarmutskonferenz.bw@googlemail.com
Das Resümee des heutigen Tages kann eigentlich nur lauten, wenn die Betroffenen Zugang zur Gestaltung des politischen Produktionsprozesses haben und über Produktionsmittel verfügen, können sie sich hörbar und effektiv artikulieren. Die Gründungsversammlung mit ihren 120 Anwesenden war ein Erfolg für die soziale Bewegung.
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