Griechenland: Attacke auf Tarifautonomie und Demokratie

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Der Sparkurs in Griechenland wirkt: Jeder zweite Jugendliche ist mittlerweile arbeitslos, in den Straßen Athens herrscht Bürgerkrieg, Obdachlosigkeit und Selbstmordrate steigen. Doch Berlin und den Getreuen bei EU und IWF genügt das nicht. Sie attackieren jetzt auch die Tarifautonomie – das Recht, ohne staatliche Eingriffe Vereinbarungen über Arbeitsbedingungen und Löhne abzuschließen. Schäuble stellt sogar demokratische Neuwahlen in Griechenland in Frage. Erst soll die jetzige Regierung den Angriff auf Arbeitnehmerrechte durchboxen, dann dürfen die Griechen Demokratie spielen. Sonst fließen die Hilfskredite nicht. Demokratie oder Geld – so simpel ist die Logik aus Berlin.

Die griechische Politik wird von Tag zu Tag mehr gedemütigt und schluckt dennoch jede bittere Pille. Dabei geht es nicht mehr nur darum, dass der Staat Ausgaben kürzt – etwa durch Vernichtung von 150.000 Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst. Längst richten sich die Spar- und Reformpakete gegen die gesamte griechische Arbeitnehmerschaft und ihre Gewerkschaften. Unter dem Diktat Brüssels soll die griechische Regierung Tarifverträge außer Kraft setzen und direkt zu Gunsten der Arbeitgeber in Lohnauseinandersetzungen eingreifen. Damit wird die Tarifautonomie ad absurdum geführt. Der Angriff auf dieses grundlegende Gewerkschaftsrecht kommt einem Angriff auf die Menschenrechte gleich. Das Ziel: den Beschäftigten Einkommen und Rechte streitig zu machen.

Laut neuem Sparbefehl aus Brüssel sollen „die durch den Gesamttarifvertrag vereinbarten Mindestlöhne […] um 22 Prozent […], für junge Menschen […] die durch den Gesamttarifvertrag vereinbarten Löhne ohne Ausnahmen um 32 Prozent gesenkt" werden. Eine Schlichtung bei Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern soll künftig immer eine „erforderliche Lohnanpassung" – also eine Lohnsenkung – zum Ergebnis haben. Zusätzlich sollen die Arbeitgeber auch bei der Zahlung von Sozialbeiträgen entlastet werden. Dabei ist der griechische Staat doch auf jeden Cent angewiesen.

Die direkte Umverteilung von Beschäftigten hin zu Arbeitgebern kennzeichnet die gesamte europäische Krisenpolitik. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Spar- und Lohndruck auch Deutschland wieder ins Visier nehmen.

Offiziell geschieht das alles, um das Wachstum zu fördern. Doch vom Wachstum keine Spur. Im Gegenteil: In Griechenland brechen lokale Märkte zusammen, die Wirtschaftsleistung schrumpfte 2011 um 6,8 Prozent, die Arbeitslosigkeit liegt bei 21 Prozent (siehe Abbildung). Nur Armut und Perspektivlosigkeit wachsen.

Die Troika und Berlin müssen endlich umdenken. Weitere Kürzungen sind weder dem Land noch den Menschen zuzumuten. Stattdessen braucht Griechenland eine umfassende Investitions- und Modernisierungsoffensive. Einen Marshall-Plan, damit das Land aus der Krise herauswächst und nicht weiter von einem Krisengipfel zum nächsten geprügelt wird.

Demokratie und Tarifautonomie müssen verteidigt werden. Auch und vor allem in Griechenland.

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