Angela Merkel hat einen wahrhaftigen und eigenen Finanzkrieg begonnen. Es besteht das Risiko, dass sich ganz Europa zu unterwerfen hat. Die Meinung des Physikers Bruno Giorgini.
Quelle: PeaceReporter
Übersetzung: Günter Melle
Nachdem die Botschaft in den Zeitungen veröffentlicht war, sind die Börseneinbrüche am 1. November auf die Panik zurückzuführen, die innerhalb der Märkte verbreitet wurde. Dies als der griechische Premier Papandreou den Vorschlag unterbreitete, die EU-Maßnahmen einem Volksentscheid zu unterziehen. Seltsame Märkte, die als objektiv und wie der Regen als natürlich gelten und die verschreckt auf die Hypothese einer demokratischen Konsultation reagieren (jenseits aller möglichen und weniger ehrenwerten Gründe Papandreous, ist der Volksentscheid doch eine Möglichkeit den Willen der Bevölkerung auszudrücken). Frei heraus ein Feld also, das nicht das ihre sein sollte: die Demokratie.
In Wirklichkeit handelt es hier um Gewalttätigkeit, damit ein Akt der Demokratie verhindert werden soll, also um Gewalt, welche die zutiefst antidemokratische Gesinnung der Marktakteure offenlegt, die sich hinter den anonymen “Märkten” verstecken.
Bei PeaceReporter war vor einigen Tagen zu lesen: New Scientist veröffentlichte kürzlich die Resultate einer Untersuchung, die von einem Ökonomen-Team des Schweizer Instituts für Technologie durchgeführt wurde. Sie belegt, dass ein Netz von einigen Dutzend multinationaler Konzerne, darunter hauptsächlich Banken, die ökonomischen Geschicke der Welt kontrolliert. Die Wissenschaftler, unter der Leitung von Professor James Glattfelder, analysierten die Relationen zwischen 43tausend multinationalen Konzernen. Sie entdeckten, dass im Zentrum der Karte von Machtstrukturen in der Weltökonomie 1318 Multis 80 Prozent des globalen ökonomischen Reichtums besitzen. Laut Studie befinden sich unter diesen 147, welche 40 Prozent des Systems kontrollieren. Die Mächtigsten unter diesen Superorganisationen sind fast alles Banken (Barcalys, JP Morgan Chase, Ubs, Merryl Lynch, Deutsche Bank, Credit Suisse, Goldman Sachs, Bank of America, Unicredit, Bnp-Paribas), plus einige große amerikanische Finanzgesellschaften und Versicherungskonzerne. Die sogenannten Rating Agenturen beziehen sich alle mehr oder weniger auf dieses Konsortium der Herren des Dunstes. Tatsächlich hat Moody’s gerade vor wenigen Wochen Gewehr bei Fuß in die französische Wahlkampagne eingegriffen, indem sie ankündigte, Frankreich unter Beobachtung zu stellen und beabsichtige das Rating aktuell A, man weiß nicht genau um wieviel, zu deklassieren… dies genau nach dem Erfolg der sozialistischen Vorwahlen: wie es so der Zufall will.
Selbstverständlich haben die beiden Steuerleute, Merkel und Sarkozy (Anordnung der Namen hier nicht unter alphabetischen, sondern unter hierarchischen Kriterien), sofort versuchten, den widerspenstigen und schusseligen Papandreou mit unterschiedlichen Erklärungen auf Vordermann zu bringen und während des G20-Gipfels werden sie direkt Druck auf ihn ausüben.
Aber schauen wir uns einige interessante Zahlen an, welche über die von Berlin und Paris inspirierten ökonomischen Politiken, auf der Basis der sogenannten goldenen Regel des Haushaltsausgleiches (die tendenzielle Tilgung der öffentlichen Schulden, eine Verrücktheit wird dazu jeder ernstzunehmende Ökonom sagen), Auskunft geben. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist nunmehr bei 16,7 Prozent angekommen (noch vor einem Jahr waren es 12 Prozent) und die Jugendarbeitslosigkeit bei 40 Prozent (richtig gelesen! 40 Prozent). In Spanien ist die Arbeitslosigkeit auf 22,8 Prozent geklettert! Und bei all dem steigt erbarmungslos die Inflation. Wie soll man sagen; man verdrückt heute das Ei und schlachtet morgen auch das Huhn. Italien, ein anderes im Fadenkreuz stehendes Land, steht nicht besser bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 30 Prozent und einer Inflation, die im Oktober auf 3,4 Prozent stieg (3 Prozent im September).
Tun wir mal so als sei die Krise nicht global und strukturell und spielen wir das gezinkte, geradezu falsche Spiel (es reicht Krugman, Stieglitz und viele andere zu lesen, um sich Klarheit zu verschaffen), dass alles Übel von den öffentlichen Schulden und der Schwäche des Euro kommt. Aber es gibt doch schon einige von mehreren Seiten vorgeschlagene Maßnahmen, die schnell und wirksam wären. Die erste wäre die Einführung der Eurobonds. Das sagte Delors, auch einige andere, sogar Tremonti und il Sole 24Ore kürzlich in einem Artikel von Bellasio und Brivio. Die zweite wäre, dass die EZB wie die FED arbeitet. Letztere ist nicht die Bezeichnung einer subversiven Organisation, sondern der Nationalbank der USA. Sie refinanziert die öffentliche Schuldenlast über durch sie festgelegte Zinssätze, und funktioniert darüberhinaus als Regulator des Marktes, indem sie berücksichtigt, dass der Staatshaushalt ein öffentliches Gut darstellt. Eine dritte, doch auf der Ebene der Politik noch sehr arbeitsintensive Maßnahme, wäre die Einführung einer europäischen Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte. Mit ihr würde auch evident werden, dass die Renten, die Arbeitsstunden, die Gesundheitsvorsorge, die Schulen, die Produktivität, die öffentlichen auszuführenden Arbeiten etc., womit insgesamt die Attacke auf die sozialen Rechte und den Wert der Arbeitskraft begründet wird, nichts mit der Schuldenkrise zu tun hat. Vielmehr ist es der quasi totalitäre Wille der Macht und des Profits eines Finanzkapitals mit seinen multinationalen, und genaugenommen, mafiosen Ablegern.
Aber Deutschland, in der Person Angela Merkels, stellt sich gegen diese Maßnahmen. Von Eurobonds und einer EZB im Sinne der FED neu definiert, will sie nichts hören, weil die deutsche Wirtschaft an den Schulden Griechenlands, Spaniens etc. fett wird. Hingegen lenkt sie von der Schwäche deutscher Banken ab, die von Schrottpapieren verunreinigt sind. Die Sparpolitik (der anderen) nützt dem Wohlergehen Deutschlands und in ihrem Schlepptau Frankreich.
Schauen wir uns einige Beispiel von Banken an. Nun gut, die erste und bisher einzige europäische Großbank, die pleite ging, war die franco-belgische Daxia, was zwar nicht durch globale Zusammenbrüche oder wilde Spekulationen verursacht wurde. Aber auch die Deutsche Bank navigiert nicht in guten Gewässern, denn sie bleibt zu 95% dem Verhältnis toxischer Titel und Eigenkapital ausgesetzt. Das gleiche gilt für die BNP-Paribas mit 37 %, die Credit Agricole zu 24 % und die Unicredit zu 18 % (Quelle: il Sole 24Ore). Die European Banking Authority (Eba), strongly affected by the german action, um es auf englisch zu sagen, also in deutscher Hand, hat –was für ein Zufall- den italienischen, spanischen, irländischen, portugiesischen und griechischen Banken (die PIIGS) Erhöhungen ihres Kapitals verordnet, weil sie von Schatzanweisungen voll sind (sic!).
Es wird also nichts unternommen, um die deutsch-französischen Schrottanleihen zu sterilisieren, während jedoch in einem gewissen Sinne, Staatsanleihen der italienischen, spanischen Banken etc. “toxisch gemacht werden” und somit der Weg zur internationalen Spekulation auf diese Titel geebnet wird. Es handelt sich um ein präzise institutionelle Entscheidung, um das Gewicht der Spekulationen auf die “schwächeren” (bezüglich der Schulden) Staaten zu verschieben, um von den französischen und deutschen Banken abzulenken. Sagen wir es in weniger technischen Termini: Deutschland hat einen wahrhaftigen und eigenen Finanzkrieg gegen die anderen europäischen Staaten begonnen.
Es ist wohl ein Spiel mit dem Rasiermesser, denn es ist eine Sache, ein Land an den Rand des Bankrotts zu treiben, um seine Reichtümer zum Spottpreis einzukaufen (wie es die deutschen Firmen und Banken ohne Skrupel tun), eine andere Sache ist es, wenn der Bankrott kommt, die Sparpolitik eine allgemeine Depression produziert und die Arbeitslosenzahlen unerträglich werden, sodass ein Punkt erreicht wird, den die Soziologen Revolte nennen, the riots threshold.
Nicht dass ein möglicher Bankrott Italiens alles andere als schmerzlos für die Deutschen wie für die gesamte Weltökonomie wäre, jedoch wer mit dem Feuer spielt, riskiert sich zu verbrennen. Eingeschlossen Frau Merkel, die außer den monetären Kriege bewaffnete Kriege riskiert, was Gott verhüte. Im Augenblick wachsen in Frankreich antideutsche Ressentiments, die täglich mehr spürbar sind. Wenn sich auch französische Banken bereichern, ist der Sparkurs dem deutschen Modell angeglichen und er trifft die Mehrheit der Bevölkerung. Es zeichnet sich ein Wahlkampf ab, der ausnahmslos hart zwischen links und rechts geführt wird. Ein Sieg der Linken im kommenden Frühjahr würde die deutsche Hegemonie problematischer machen und wenn zufällig auch die Merkel abträte, könnte die rot-grüne deutsche Linke wieder einen europäischen kooperativen Prozess in Gang setzen.
Um also nochmals zusammenzufassen: nur eine kräftige Injektion an Demokratie auf europäischer Ebene kann die Degeneration einer Finanzoligarchie und der Technokraten aufhalten, die im Namen der Macht und des Profits zu allem bereit sind.
Man sollte sich an die Ursprünge der Europäischen Union erinnern, die gleich nach dem 2. Weltkrieg von einer zweifachen Losung inspiriert war: “Nie wieder Auschwitz, nie wieder Krieg!”