Autor: Argiris Panagopoulos
Quelle: Il Manifesto –
Übersetzung: Günter Melle
Die “empörten” Griechen atmeten erleichtert auf als die Leute am 15. Oktober begannen, den Syntagma Platz, gegenüber dem Parlament, zu bevölkern. Am Himmel drohte ein Unwetter heraufzuziehen und die in aller Eile organisierte Demonstration riskierte geringe Teilnehmerzahlen. Jedoch Athen antwortete. Die Härte der Einschnitte in Griechenland hat die Sprache konventioneller Politik hinter sich gelassen und Rhythmus und Verfahrensweisen beschleunigt. Die Bevölkerung antwortet geradezu mechanisch auf die Einladungen zu protestieren, zu besetzen und Widerstand zu leisten.
“Hier ist nicht Wall Street. Hier haben die Bänker schon den größten Teil der Gesellschaft geschluckt. In Portugal fängt man jetzt an zu begreifen, was das Memorandum bedeutet. Morgen wird man es in Spanien und Italien verstehen. Wenn es gelingt uns zu massakrieren werden sie vor nichts zurückschrecken. Und warum? In Griechenland sind wir schon seit zwei Jahren auf der Straße und werden es noch weiter sein”, sagte die Erwerbslose Elini Kantalifou. Sie drückt die Mehrheitsmeinung der Griechen aus: sie fühlen sich als Tiere im Käfig, die nichts gegen die Zerstörung des Sozialstaates und der Demokratie in Europa tun können.
Die staatlichen Angestellten waren gestern morgen zuerst auf dem Platz, jedoch nicht, um zu “demonstrieren”. Sie hielten viel mehr eine Versammlung unter dem offenen Himmel ab, um über die Formen des Kampfes gegen die antisoziale Politik Papandreous sowie der Troika zu beraten. Der Platz hat sich in ein wahrhaftiges Laboratorium des sozialen Widerstandes verwandelt, wo die Solidarität zwischen den verschiedenen Organisationen der Werktätigen vorherrscht und die Autonomie einer jeden respektiert wird.
Idignados (“Empörte”), Gewerkschaften, Parteien und Organisationen der Linken, die unterschiedlichsten Assoziationen und Kollektive erleben täglich wie die Regierungsmehrheit neue Risse bekommt. Papandreou muss erneut seine Abgeordneten zählen, die am Donnerstag bereit sein werden, dem Massaker der griechischen Gesellschaft zuzustimmen, das in Brüssel und Berlin entschieden wurde. Zu diesem Tag haben die Gsee und Adedy, die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes zu einem 48 Stundenstreik gegen die neuen Einschnitte und Kündigungen aufgerufen.
TV und öffentlicher Rundfunk bei der Arbeit
Die Journalisten und Angestellten des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens sind gestern nach zwei Streiktagen wieder an die Arbeit gegangen, um die Direktübertragung der Demonstration auf dem Syntagma Platz zu gewährleisten. Sie werden am Mittwoch wieder die Arme verschränken, aus Protest gegen die Einschnitte bei ihren Gehältern, gegen die de facto – Aussetzung ihres Tarifvertrages und die Kündigungen.
Motorradfahrer von Saloniki
Zehntausende haben sich auch in Saloniki zusammengefunden, obwohl das Wetter auch hier Streiche spielte. Der Zulauf zur Demonstration hat die Idignados nicht enttäuscht: “Die Leute sind trotz der dunklen Wolken am Himmel gekommen”, sagte Nikos Gianopoulos. Er arbeitet im Gesundheitssektor und kämpft mit seinen Kollegen gegen die Einschnitte und für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Charakters der Leistungen in den Krankenhäusern.
Das zahlenstarke Kolletiv “Motorradfahrer in Aktion”, einfache Motorradfahrer und begeisterte Biker, haben eine Fahrt ins Zentrum Salonikis organisiert. “Es ist für uns die Zeit für einen globalen und friedlichen Protest gekommen. Einig und mit einer Stimme lassen wir nicht zu, dass die Politiker und ökonomischen Eliten mit uns spielen wollen wie es ihnen gefällt. Wir sind keine Waren in den Händen der Politiker und Bänker. Sie repräsentieren uns nicht…”, heißt es in ihrem Aufruf. In Saloniki, der zweiten Stadt Griechenlands, ist das Klima aufgeheizt: es wurden die Rathäuser besetzt und die Arbeiter der Eya beschlossen den Eingang der Stadtwerke zuzumauern.
Nationale Einheit gegen den Müll
Die Müllberge in ganz Griechenland wurden zum Hauptauseinandersetzungspunkt zwischen der Gewerkschaft Poe-Ota (Gemeindearbeiter/Innen) und der Regierung. Die hat die Polizei gerufen, um den Weg für die private Müllentsorgung freizumachen und hat dem öffentlichen Personal mit Kündigung gedroht. Zur Zeit haben 60 private Mülltransporter unter polizeilicher Eskorte begonnen, die Straßen der Hauptstadt zu reinigen. Die Arbeiter/Innen der Gemeinde werden bis zum kommenden Donnerstag im Streik bleiben. Die Konservative Dora Mpakogiani-Mitsotaki, Ex-Bürgermeisterin von Athen, Ministerin der Nea Demokratia und heute Vorsitzende der kleinen Partei Demokratische Allianz, hat Papandreou die Hand gereicht und den Vorsitzenden der Gewerkschaft Poe-Ota scharf angegriffen.
Eine zweite Hand kam direkt von der Nea Demotratia, die nicht nur eben diesen Gewerkschaftsvorsitzenden attackierte, sondern sie hat auch aus der konservativen Partei den Vorsitzenden, Thimios Limperopoulos, der Taxifahrergewerkschaft Sata, wegen seiner negativen Bemerkungen im politischen Ausschuss der Partei gegen einen Funktionär der Sozialversicherung und den den Transportminister, ausgeschlossen. Die Taxifahrer haben den Vorsitzenden der Nea Demokratia nicht warten lassen und sind mit ihren Wagen auf dem Platz vor der Parteizentrale in der Syggrou Straße aufgefahren, um dagegen zu protestieren.
Nach Papoandreou
Während die konservativen Parteien versuchen den Protest einzudämmen, bereiten sie sich gleichzeitig auf einen Regierungswechsel vor, um Papandreou abzulösen. Mpakogiani-Mitsotaki hat gestern die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit unter Beteiligung dreier Exminister (der Sozialist Simitis, der Konservative Karamanlis und ihr Vater [!], der Konservative Mitsotakis) gefordert, in Anbetracht, dass Papandreou und Samaras sich nicht für eine gemeinsame Regierung entscheiden können.
Gestern wurden drei Kugeln in der Pasok-Zentrale in einem Umschlag mit der schriftlichen Bemerkung abgegeben: “Es gibt noch weitere für die Deputierten des Verrats.”