14. Bundesweites Berbertreffen in Offenburg
vom 5. bis 7. August St. Fidelis, Straßburger Straße & Wärmestube Wasserstraße
– Das Programm –
Bericht von G. Melle
Im traditionellen Verständnis der Sozialarbeit wird extreme Armut, der Verlust von Arbeit und Wohnung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die einzelnen Betroffenen, als individuelles Problem aufgefasst. So bleiben ihre Strategien der Beseitigung des Problems ebenfalls individuell (im neoliberalen Neusprech: “kundenbezogen”) und daher ein Fass ohne Boden.
So sehr sich die Sozialarbeit auch müht, wachsen ihr mit jedem “abgearbeiteten Fall” zwei “ungelöste Fälle” nach. Von der Betroffenenseite aus gesehen, haben Frau, Mann, Kinder, Familien Glück, wenn ihnen im Dschungel der Maßnahmen (Isabel Horstmann) nicht ein Vertreter/eine Vertreterin des neuen religiösen Dogmas mit Namen Marktradikalismus über den Weg läuft. Für das neoliberale Dogma ist die Vertafelung und der 1-€-Job Synonym seiner Armutsstrategie, sein Diktum ist das Primat der Ökonomie. Auch mit Armut lassen sich gute Geschäfte machen.
Glück haben Betroffene also, wenn sie in ihrer existentiellen Not vor Ort auf Einrichtungen stoßen, die extreme Armut als ein gesellschaftliches Problem begreifen, das nur gesellschaftlich, im Prozess der kollektiven Gegenwehr, lösbar erscheint. Eine solche Einrichtung ist, im Rahmen der Wohnungslosenhilfe, das St. Ursulaheim Offenburg, unter dessen Ägide sich, nunmehr seit mehr als einem Jahrzehnt, Betroffene in der Landesarbeitsgemeinschaft und Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen organisieren und versuchen, sich Gehör zu verschaffen.
Es ist mittlerweile Tradition ein jährliches “Berbertreffen” zu veranstalten, das über den regionalen Rahmen hinaus, die Leute auf der Straße anspricht, und über thematische Schwerpunkte Einfluss auf die sozialen Problemfelder zu nehmen versucht. Begonnen hat alles 1997, noch unter der schwarzen Bundesregierung Kohl, als sich Wohnungslose zum ersten Mal in organisiertem Rahmen zum Thema “Straßenleben” äußerten. Es ging nicht allein um die Darstellung der eigenen Situation, sondern auch um einen Selbstverständigungsprozess, wie sich Wohnungslose aktiv ins gesellschaftspolitische Leben einmischen können. Bereits im folgenden Jahr wurde ein “Marsch auf Stuttgart” organisiert, um am Sitz der Landesregierung das Leben in extremer Armut zu thematisieren. Im Jahr 2004 stand das Thema “Reformhaus Deutschland” im Fokus der Aufmerksamkeit. Nicht wenige Wohnungslose beteiligten sich in diesem Jahr an den Hartz-IV Demonstrationen und nützten das “offene Mikrofon”, um ihre Situation darzustellen.
Viele der in den 14 Jahren Berbertreffen aufgegriffenen Schwerpunkte wurden weiterverfolgt. So beispielsweise das Thema “Partizipation statt Exklusion” im Jahr 2007, an dessen Umsetzung vor Ort, im St. Ursulaheim, bis heute mit Erfolg theoretisch und praktisch gearbeitet wird. Im europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung, organisierten die Betroffenen über das Dreiländereck hinweg eine Armutskarawane, die sich als gut gelungenes Produkt des partizipativen Prozesses sehen lassen konnte. Betroffene diskutierten mit lokalen und regionalen Vertretern der Politik in Baden, im Elsass und in Basel, erwiesen sich als Experten in der Diskussion mit der Armutsforschung an der Universität Heidelberg und mischten sich mit Wort und Aktion, vor Ort in den Städten, zu sozialen Problemlagen ein.
Nun steht das 14. Berbertreffen vom 5. August bis 7. August 2011 vor der Tür. Die Themen liegen nahe und zeigen, dass es wieder ein Stück weitergeht im Selbstverständnis des Berbertreffens. Unter Grün-Rot neu steht das Thema Baden “Württemberg 2020 – zwischen Wohlstand und Armut?” auf der Tagesordnung aber auch das Thema “Soziale Kämpfe in Europa”.
Im Flyer der Organisatoren heißt es dazu: “Wir geben diesen Themen bewusst einen öffentlichen Raum. Wir leben in Baden Württemberg und wollen hier unser soziales Leben sichern. Und nicht zu verleugnen ist, dass uns die europäische Dimension von Leben genauso betrifft. Krisen, Finanzströme und Finanzpleiten berühren uns ebenso wie Flüchtlingsdramen im Mittelmeer und anbrechende Klimaveränderungen und soziale Katastrophen.”
Heute wurde nun dem Programm in der Wärmestube ein letzter Schliff verpasst. Es ist erstaunlich, was die Organisatoren/Innen alles zu berücksichtigen haben. Alle Details, von den scheinbar ganz banalen Dingen bis zum inhaltlichen Programm werden an diesem Morgen nochmals durchgearbeitet. Und nun steht ein Programm, das sich sehen lassen kann und sich wie folgt gestaltet.
Beginn Freitag, 5. August 2011
St. Fidelis, Offenburg, Straßburger Straße 39
13 Uhr – Eröffnung des 14. Berbertreffens –
14 Uhr – Thema: “Soziale Kämpfe in Europa ohne uns oder mit uns”
Inputs geben Vertreter/Innen verschiedener sozialer Organisationen (Attac, Betroffeneninitiativen, Gewerkschaft, Runder Tisch der Erwerbslosen, Aktionsbündnis soziale Proteste, Stuttgart 21, etc.
Danach Diskussion
16 Uhr 30 – Kaffeepause –
17 Uhr – Gespräch mit Brigitte Lösch (Landtagsvizepräsidentin, MdL, Bündnis 90/Die Grünen) und Vertreter/Innen der Betroffeneninitiativen der LAG und BBI wohnungsloser Menschen.
bis ca. 18 Uhr 30
21 Uhr – Kulturabend in der Wärmestube Wasserstraße
Übernachtungsmöglichkeiten gibt es in St. Fidelis, der Wärmestube und im Ursulaheim
Samstag, 6. August 2011
ab 8 Uhr – Kaffee –
10 Uhr Straßentheater und Demonstration in der Innenstadt
11 Uhr 30 – Demokratieforum Ratschlag am Ölberg –
In der Öffentlichkeit sollen nochmals die Problemstellungen des Vortags aufgegriffen und diskutiert werden.
13 Uhr – Mittagessen
14 Uhr – Workshops Kampagnen und Mobilizing 2012 u. 2013 in St. Fidelis
18 Uhr – Grillfest & Musikabend
gestaltet u.a. vom Bettlerchor in Freiburg, Live Musik Hartz IV
Sonntag, 7. August 2011
10 Uhr – St. Fidelis, Frühstück und erste Bilanz des Berbertreffens
Um Verbreitung des Ereignisses wird gebeten!
Da sieht Mann oder Frau, auf Dich ist Verlass, Thanks Günter war noch nicht auf dieser Seite
LG. Heinz
LikeLike