Die Wehrmacht Bundesbank

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Ton gegenüber Euro-Schuldensündern wie Griechenland verschärft und längere Lebensarbeitszeiten gefordert. Auf einer Parteiveranstaltung in Nordrhein-Westfalen kritisierte sie auch die Urlaubsregelungen in den betreffenden Ländern. «Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig», sagte sie. Außerdem könnten Griechen, Spanier und Portugiesen nicht früher in Rente gehen als Deutsche. Alle müssten sich gleich anstrengen. stern.de

circoli il manifestoIn den europäischen Nachbarländern unterliegt die Einschätzung der ökonomischen und  politischen Position Deutschlands innerhalb der EU nicht immer dem Mainstream der Hofpresse. Im Folgenden die Übersetzung eines Artikels der Tageszeitung Il Manifesto zum wirtschaftlichen Diktat der Kanzlerin, der mit historischen Vergleichen nicht spart.

Euro

Autor: Marco d’Eramo
Quelle: L’armata Bundesbank

Wo vor 70 Jahren die gewaltige Wehrmacht scheiterte, hat die dezente Bundesbank heute Erfolg. Einstmals wurden Regierungen mit Waffen bezwungen, heute reichen die Ultimaten der Kreditgeber aus. Die deutschen Bänker setzen ihr unerbittliches Gesetz mit dem gleichen preußischen Dünkel durch wie die wilhelminischen Krautjunker, die von Moltke und die Hindenburg. Die unsichtbaren Gnome von Frankfurt haben Nationen gebeugt, wo die deutschen Divisionen niemals hinkamen, wie Irland und Portugal. In anderen, haben sie schlechte Erinnerungen geweckt.

Was auf unserem Kontinent derzeit geschieht, könnte man es anders beschreiben? Wir sind derart Gefangene des imperialistischen Steilflugs der NATO, die Tonnen der Mirages des Nicolas Sarcozy, die Schläge der Tornado des David Cameron, dass wir die stählerne Faust aus den Augen verloren haben, mit der das vereinigte Deutschland der Angela Merkel  drakonische Maßnahmen durchsetzt. Einstmals war zur Abschaffung der Konstitution eines Landes sowie zur Beseitigung seiner Souveränität notwendig, dass es militärisch besiegt und besetzt wurde. Heute sind Griechenland, Irland und Portugal durch Wechsel geknechtet. Warum geknechtet? Weil jede Regierung, gleich welcher politischer Couleur, den Bedingungen der europäischen Zentralbank unterworfen ist.  Sie müssen die Einkommen kürzen, die Pensionen halbieren, Schulen, Bibliotheken und Krankenhäuser schließen. Das Wall Street Journal von gestern berichtete, dass die Einkommen der öffentlichen Funktionäre in Griechenland um 25% gekürzt wurden. Und was können die Griechen dagegen unternehmen, außer vergeblich zu protestieren? Darin besteht die große Differenz zur bewaffneten Invasion: dieses Mal haben die besetzten Länder der eigenen Souveränität abgeschworen, ohne den Mund aufzumachen. Gegen wen auch Widerstand leisten? Gegen einen Bankschalter? In welche Partisanengruppe können sie sich einschreiben? Unter die unbezähmbaren säumigen Schuldner?

Denn da gibt es ein Problem: Die Bänker, welche die Sparpolitik verordnen, sind von niemanden gewählt und niemand kann sie nach Hause schicken. Wie kann sich ein Grieche oder ein Portugiese oder ein Irländer gegen einen Jean-Claude Trichet (und morgen gegen Mario Draghi) wehren?  Es geht nicht darum, eine gewählte Regierung zu stürzen, sondern das Europa des Kapitals abzuschaffen! Wir erleben gerade eine informelle Diktatur des Kapitalismus. In Europa stand die Souveränität des Volkes nie hoch im Kurs, doch jetzt ist sie nur noch zum Abfallprodukt degradiert. Jedes Mal, wenn uns vom Volkssouverän erzählt wird, fühlen wir uns auf die Schippe genommen.  Noch nie stellte sich das Demokratieproblem so wie heute. Es bedarf, außer dem arabischen, eines “europäischen Frühlings”.

Die Finanziers sind niemandem Rechenschaft schuldig. Nicht einmal ihren Aktionären: auch wenn sie die eigenen Banken in den Ruin treiben, sorgen sich um ihre Rettung die umsichtigen Regierungen. Tatsächlich waren die Banken vor zwei Jahren schlechter dran als Griechenland oder Portugal. Aber die Tempel der “Marktrationalität” wurden als to big to fail eingeschätzt, als zu groß, um sie fallen zu lassen. Und so haben die Vereinigten Staaten 3 Billionen Dollar verbraten, um sie zufriedenzustellen.  Und Deutschland war ebenfalls nicht zimperlich, jedoch  mit den eigenen Kreditinstituten diskreter. Alle diese Banken wurden mit unseren Geldern gerettet. Jedoch Portugal und Griechenland sind offensichtlich to small to save. Wäre es nicht angebracht, uns jetzt mit den Geldern der Banken zu retten?

Sicher beschränkt sich das Problem nicht allein auf die Eurozone. Britische Erwerbslose, Pensionäre und öffentliche Angestellte bezahlen mit Tränen die gewährten Subvention an die Royal Bank of Scotland und an Lloyds (ein nicht unwesentlicher Grund des Wahlsieges der schottischen Separatisten).

Es gibt noch eine Seite, die auch Deutschland nicht unter Kontrolle hat.  Einstmals gab es immer ein Heer (eine Flotte), das mächtiger als das deine war – wie es Deutschland vielmals demonstrierte. Heute gibt es immer einen Kapitalismus, der mächtiger als der deine ist. Es sind die Rating Agenturen, die Moody’s  Corporation, Standard & Poor’s. Die Agenturen bewerten die Kreditwürdigkeit der Schuldner: je schlechter das Votum, desto höher das Risiko: umso gesalzener sind also die Zinsen.

Dreieck-Schieflage_1D_rgbDas Problem besteht darin, dass diese Rating Agenturen Privatunternehmen sind, oft im Besitz von Hedge Funds: 19,1% der Aktien von Moody’s gehören dem “Oracle of Omaha”, Warren Buffet, dem zweitreichsten Mann Amerikas, der mit Schulden spekuliert, die von seiner Moody’s Corporation bewertet werden (ratings). Der 81jährige Milliardär aus Nebraska hat es in der Hand, ob deine Großmutter in Portogruaro oder Ariano Irpino Rente erhält. Erneut ein Problem der Demokratie. 

Aber es gibt auch ein Problem der europäischen Linken. Noch mehr als die teutonische Anmaßung, verblüfft die Gleichgültigkeit mit der die unterschiedlichen europäischen Linken die Ausübung dieses Finanzdespotismus aufgenommen haben. Als würde uns Italiener die Angelegenheit nicht betreffen (oder die Franzosen, die von der Idee gepeinigt werden, das Ratingtripel AAA zu verlieren). Sollten wir etwa gezwungen werden, den berühmten Satz von Pastor Niemöller zu paraphrasieren: “Zuerst hatten sie es mit den Griechen, aber ich wehrte mich nicht, weil ich kein Grieche war. Dann waren die Irländer an der Reihe. Aber ich protestierte nicht, denn ich war kein Irländer. Danach hatten sie es mit den Portugiesen, doch ich sagte nichts, da ich kein Portugiese war… Als sie dann mit mir anfingen, gab es niemanden mehr, der mich verteidigte.”

Übersetzt von Roberto Greco

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