Eine Reise in die Hauptstadt Griechenlands, in der auch Kleinigkeiten vom Klima der Prekarität und großer sozialer Unsicherheit in der Krise zeugen.
geschrieben von: Margherita Dean
Es ist ungewöhnlich, dass es Ende April regnet und kalt in Athen ist. Die Heizkörper sind noch eingeschaltet und die Stadt ist von Wunden gezeichnet, die ihr Aussehen entstellen. Sie verändern kleine und große Abschnitte in einen Alltag, der sich gnadenlos im Sumpf der Rezession verfangen hat.
Man hört jetzt nichts anderes mehr als Gespräche über Ökonomie und die große Mehrheit der Bürger/Innen des angeschlagenen Landes beschäftigt sich in Gedanken mit mikro- und makroökonomischen Daten. Das ist unerheblich, da zuerst Irland und dann Portugal das Schicksal Griechenlands teilten, das durch europäische und transozeanische Maßnahmen gerettet wurde. Es ist auch unerheblich, die Widerstände in der Eurozone gegenüber diesen Attacken zu werten: Der Taxifahrer in Athen und mit ihm große Teile der griechischen Gesellschaft halten das Land schon für gescheitert, auch wenn sie es nicht sagen wollen.
Heute musste der Taxifahrer schon wieder einmal, wie so oft, einen anderen Weg einschlagen, um zum Ziel zu kommen: eine der üblichen Demonstrationen blockierte die Arterien der Hauptstadt.
Heute die Ärzte, gestern die Lehrer, morgen die Prekären, die gegen die Kürzungen protestieren, die vielleicht erst dann zu Ende sind, wenn die Ausgaben des Sozialstaates auf Null gefahren wurden. Jeden Tag findet eine große oder kleine Demonstration statt, jeden Tag ein Zug mit schwarzen Fahnen der Trauer, jeden Tag Dutzende neuer Kündigungen im kränkelnden Privatsektor der Wirtschaft, während der öffentliche Sektor hinterherhinkt und die Gewerkschaftsführung unentschlossen ist, wie sie handeln soll.
Jeden Tag werden kleine Aktionen des Widerstandes organisiert: ziviler Ungehorsam gegen die Erhöhung der Autobahngebühren. Fast das gesamte Autobahnnetz Griechenlands ist privatisiert. Ziviler Ungehorsam eines kleinen Dorfes am Rande Athens, das nicht zur Müllhalde einer Sechs-Millionen-Stadt werden will. Und Wut, viel Wut: sie richtet sich immer mehr gegen Minister, Abgeordnete, gegen die “Journalisten des Regimes”, die mit Eier, Joghurt beworfen und mit Schimpfworten geschmäht werden. Es geschieht überall da, wo sie von den Leuten gesehen werden, ob in der Kneipe oder im Kino. Es entstehen Bewegungen, es organisieren sich Solidaritätskomitees für Entlassene, für Migranten ohne Dokumente. Die Migranten sieht man jetzt immer häufiger auch im eleganten historischen Zentrum der Stadt, sie schieben Einkaufswagen der Supermärkte, die vollgepackt sind mit Metallabfällen, die sie in Müllcontainern auflesen.
Mein Taxifahrer wird plötzlich gezwungen, zu bremsen. Er hat nicht rechtzeitig, die durch einen Baum verdeckte, auf rot geschaltete Ampel bemerkt. Immer häufiger geschieht es, dass da, wo drei Ampeln angebracht sind (eine über der Straße und zwei an der Seite), selbst auf verkehrsreichsten Straßen, nur eine funktioniert.
Zwanzig Prozent der Ampeln Athens funktionieren nicht und es ist nicht klar, warum der Verkehrsminister sich nicht darum kümmert. Im November gab man Siemens die Schuld. Der Konzern ist für die Wartung der Ampeln Athens verantwortlich. Besser gesagt, Journalisten und das Ministerium meinen, das der immer noch existierende Skandal rechtswidriger Absprachen zwischen Siemens und den Mehrheitsparteien, die verantwortlichen Beamten daran hindert, die Verträge über die Wartung der Lichtanlagen zu unterschreiben.
Die Monate vergehen, das Hindernis bleibt, von den nicht unterschriebenen Verträgen erfährt man nichts. Und die Lampen der funktionierenden Ampeln werden in den weniger verkehrsreichen Straßen abmontiert und an den neuralgischen Verkehrspunkten eingesetzt, wobei der Grundsatz gilt: es reicht wenn eine der drei Ampeln funktioniert. Die Autofahrer von Athen fragen sich, ob das Ministerium in Wirklichkeit schon kein Geld mehr hat, um diese Lampen einzukaufen.
Übersetzung: Roberto Greco