Domenico Moro, Quelle: http://www.paneacqua.eu/notizia.php?id=17157, 08 marzo 2011, 12:23
Debatte: Angesichts vergangener historischer Untersuchungen empfiehlt sich höchste Vorsicht und anstatt, sich eiligst in die Reihen der “humanitären” Interventionisten gegen den “blutigen Diktator”einzureihen. Es ist angebracht, sich zu fragen, was geschieht da in Libyen, wenn man auf ein militärisches Eingreifen dringt, und eben auch, weil sich die leitenden Kreise der USA in dieser Frage gespalten zeigen.
“Meiner Meinung nach, sollte sich sich jeder zukünftige Verteidigungsminister im Kopf untersuchen lassen, der wieder daran denkt einem Präsidenten zu raten, die Armee nach Asien, in den mittleren Orient oder nach Afrika zu schicken.” (Rede Robert Gates, Verteidigungsminister USA, in Westpoint am 2502,2011)
Moisés Naim hat auf der erste Seite des Sole24ore die Gruppe Hugo Chavez, Daniel Hortega und Fidel Castro als “Achse der Verwirrten” bezeichnet, weil sie sich weigern, den Diktator Gaddafi wegen des Massakers an unschuldigen Zivilisten anzuklagen. Maim hat jedoch vergessen unter die Verwirrten weiter zwei auf seine Liste zu setzen. Es handelt sich um Mike Mullen und Robert Gates, also der Chef des Vereinigten Generalstabs und der us-amerikanische Verteidigungsminister. Die zwei haben, wie Rampini am 3. März berichtete “sogar geleugnet, dass es Beweise dafür gäbe, dass Gaddafi seine Flugzeuge und Helikopter gegen die Bevölkerung eingesetzt hätte.
Dennoch hat am 24. Februar Sole24ore die Schlagzeile: “Massengräber in Tripolis, das Land gespalten”. Laut Sender Al-Arabya gäbe es schon 10000 Tote, andere Quellen berichten von tausend. Das Blatt titelt am 27. Februar “Bomben auf Tripolis, 250 Tote, Flugzeug bombardiert Demonstranten.” Der Vizebotschafter der UNO: “Genozid!” Das, was der Beweis der Beweise sein sollte, das Video des Friedhofs mit seinen Massengräbern, stellte sich als alt heraus und zeigte die Restrukturationsarbeiten auf dem Friedhof , wie dies von einem Auslandskorrespondenten am 26.2. präzisiert wurde.
Fast immer werden über Massaker an Zivilisten von Medien berichtet, die auf die Nachrichtenagentur Reuter zurückgehen, diese wiederum belegt sie als Telefonberichte, offensichtlich mit Libyern der Antigaddafifront. Die Notizen über die Massaker wurden via Satellit über Al-Jazeera weiterverbreitet, worauf sich Karima Moual in sole24ore fragte, welches Spiel bezüglich der Ereignisse in Nordafrika gespielt wird und er schließt auf eine “gefährliche populistische Hinwendung” islamistischer Prägung. Und so geht es weiter über die Internetseite Debka, die dem israelischen Geheimdienst nahe steht. Zu dem kommt die Weiterverbreitung dank verschiedener Blogs hinzu, von Twitter und Facebook, Nachrichten die schwer verifizierbar sind.
Zu bedenken ist, dass die letzten zwanzig Jahre genügen gefälschter, künstlicher Beweise gegeben hat. Wir könnten einen zum libyschen analogen Fall zitieren, das sind die Massengräber in Timişoara, die einem anderen blutigen Diktator, Ceaucescu, angedichtet wurden. Sie erwiesen sich in der Distanz der Jahre als eine Fälschung. Die spektakulärste Fälschung jedoch war sicherlich der Beweis von Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein. Er diente schließlich als Rechtfertigung für das “humanitäre” Eingreifen des westlichen Militärapparats. A pro pos Massenvernichtungswaffen, so schreibt Matteuzzi in Il Manifesto am ersten März, “wollen wir wetten, dass wenn der Colonel nicht sofort zurücktritt, wird sich da nicht auch irgendjemand auch in Libyen finden?” Er weiß offensichtlich nicht, dass sie Quirico von sole24ore bereits am 26. Februar gefunden hat. Und hier die Überschrift: “Chemische Waffen, die große Angst.” und im Text: “Wahr? Falsch? Bleiben wir bei der Tatsache, dass man sich in Tunesien bereits darauf vorbereitet. “Man bereitet sich darauf vor”, also ist es wahr: Ein wahrhaft stringenter Syllogismus, da ist nichts auszusetzen.
Angesichts vergangener historischer Untersuchungen empfiehlt sich höchste Vorsicht und, anstatt sich eiligst in die Reihen der “humanitären Interventionisten” gegen den “blutigen Diktator”einzureihen. Es ist angebracht, sich zu fragen, was geschieht da in Libyen, wenn man auf ein militärisches Eingreifen dringt, und eben auch, weil sich die leitenden Kreise der USA in dieser Frage gespalten zeigen.
Viele. auch Experten von Bedeutung, sind von den libyschen Ereignissen überrascht worden. Dennoch hat der Professor Dirk Vandewalle an der Dartmouth University in seiner “Zeitgeschichte Libyens” von 2006 schon angedeutet, was geschehen könnte. Paradoxerweise ist die Revolte gerade dem Fehlen der Voraussetzung einer Diktatur geschuldet, d.h. und folglich einem Gewaltmonopol mittels bewaffneter Streitkräfte. In Libyen gab es seit Jahrzehnten eine systematische Politik der Begrenzung und Reduktion staatlicher Institutionen zu Gunsten eines traditionellen Tribalismus, wobei das Öl zur Stärkung der tribalistischen Allianzen diente. Der Dschamahiriyya von Gaddafi ist es nicht gelungen, die Stämme auf die Bahnen moderner staatlicher Autorität zu führen. Zu erklären ist dies zum Teil mit den Schwierigkeiten, die der diplomatischen Isolation und den Sanktionen der USA geschuldet sind. Zum anderen aber auch der Bestrebung, “ein System zu realisieren, in dem das Volk selbst regiert, ohne auf die Apparate eines modernen Staates zu rekurrieren”. Wir erleben also in Libyen etwas unterschiedliches gegenüber dem, was in Ägypten und Tunesien geschehen ist. Dort hatte die Auseinandersetzung einen populären und sozialen Charakter, wobei die Armee das Zünglein an der Waage spielte. In Libyen haben wir eine Auseinandersetzung zwischen Stämmen unterschiedlicher Provenienz, Tripolitaner und Cyrenaicer, die sich in Wirklichkeit nie vereinigten und nun die Gelegenheit der in Nordafrika bestehenden Unruhe nützten, ihre Machtbeziehungen und die Kontrolle über das Öl neu zu definieren.
In den Augen einiger Westmächte, allen voran die USA und Großbritannien ist die entstandene Situation so schmackhaft um nur zuzuschauen. Vor allem hat Libyen eine große strategische Bedeutung aus zweierlei Gründen. Der erste ist die Positionierung im Zentrum einer äußerst wichtigen Weltlage, dem Mittelmeer. Der zweite sind die enormen Vorkommen an Öl und Gas bester Qualität und ökonomisch transportierbar wegen der Nähe zu Europa. Es ist deshalb eine gute Gelegenheit, sich von Gaddafi zu befreien, der sich zweier Kapitalverbrechen schuldig gemacht hat. Er hat in Libyen die englischen Militärbasen abgeschafft wie die englischen und amerikanischen Ölgesellschaften davongejagt. Gaddafi ist weiterhin mit Unterstützung nationalen und antiimperialistischen Befreiungsbewegungen vom mittleren Orient bis nach Südafrika und Lateinamerika ein Stachel in der Flanke der USA und Israels gewesen und bleibt es noch weiter.
Das Ziel der USA ist somit das Gleichgewicht in einer Region neu zu zeichnen, die von Nordafrika über den Iran führt, wo die Präsenz der Macht der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren, infolge der Politik Bushs, ständig geschwächt wurde. Mit diesem Ziel versuchen die USA, sich in die momentanen Unruhen einzuschalten.
Es besteht auch der berechtigte Zweifel, ob sie nicht auch schon während der Revolten ihre Hände im Spiel hatten, wie es die Existenz eines Plans, sich dem nicht mehr vertrauenswürdigen Mubarak zu entledigen, beweisen würde, den WikiLeaks veröffentlichte. Oder auch die Rolle der amerikanischen Institution American Freedom im Training von Anti Ben Ali Bloggern, die Alberto Negri am 14. Januar in sole24ore beschrieb.
In Ägypten geschah die Neurodnung mittels der ägyptischen Armee und dem Vizepräsidenten Suleiman, der historisch die Rolle des Mittlers zwischen ägyptischen Militärs mit den USA und Israel einnahm. In Libyen geschieht sie mittels der Zerstückelung des Landes auf Basis der Teilung der Stämme nach dem experimentativen Modell Irak, sowie mittels des Einsatzes einer massiven Kampagne der internationalen Massenmedien gegen Gaddafi.
Angesichts dessen, dass es den Rebellen nicht gelingt, sich gegenüber Gaddafi durchzusetzen, hat sich in der Frage, welche politische Linie in Libyen zum Zug käme, im Innern der Leitung in den den USA eine Spaltung vollzogen. Als Paradoxie der Geschichte, verläuft sie bezüglich der Parteien invertiert. Während der Verteidigungssekretär Gates, Exminister bei Bush sowie die Militärs, sich gegen eine Intervention ausgesprochen haben, scheint Präsident Obama, der Friedensnobelpreisträger und bei Millionen Amerikanern und Europäern angesehene Hoffnungsträger des Friedens, du eine direkten Eingreifen bereit zu sein. Gates argumentiert, dass die USA derzeit einen dritten Krieg nicht führen können, da sie schlichtweg nicht über die Mittel verfügen. Auch die Durchsetzung einer No-fly-Zone verlangte die präventive Zerstörung der libyschen Luftverteidigung, d.h. den Krieg. Bezüglich der in naher Vergangenheit geführten Kriege der USA gibt Gates zu: “Jedes Mal haben wir uns in einer Situation befunden, dass wir nicht einmal eine Vorstellung von den Missionen hatten, die wir hätten durchführen müssen.”
Wenn also die “humanitären Interventionsbefürworter” wenigstens ein wenig der Vorsicht von Gates walten ließen, wäre das nicht unbedingt schlecht. In zehn Jahren, seit dem Ausbruch des Krieges “gegen den Terror”, sind die Resultate der westlichen Streitkräfte im Irak und in Afghanistan katastrophal. Man scheint vergessen zu haben, dass “gerechte” Kriege keine Demokratie beförderten, sondern Destabilisierung, Bruder-Schwestermord und islamischen Extremismus – selbst da wo er, wie im Irak, bisher fehlte und die Bombardements auf Zivilisten im Irak und Afghanistan wären noch hinzufügen. Ein westliches militärisches Eingreifen in Libyen hätte noch eine schlimmere Auswirkung, da diesmal Afghanistan direkt vor unserer Tür stünde und die Präsenz westlicher Armeen in Libyen für die arbabischen Länder und den Mittelmeerraum verheerende Konsequenzen hätte.
Europa und v.a. Italien, im verantwortlichen Umgang mit der kolonialen Vergangenheit, sollten von jeglicher Einmischung absehen. Anstatt den Zwist unter den Libyern anzuheizen, wäre eine Verhandlungslösung zwischen den kämpfenden Parteien, welche die territoriale Einheit und Autonomie Libyens respektiert, zu favorisieren.
(Übersetzung Roberto Greco)