Ein lateinamerikanisches Netzwerk

Autorin: Geraldina Colotti

World Women’s Conference 2011 LIVE

Quelle: Il Manifesto: Una rete di genere latino americana

circoli il manifesto

Indigene, Bäuerinnen, Gewerkschafterinnen, Aktivistinnen für zivile Rechte: vier Tage belebten sie die “Conferenzia mundial de mujeres de base” an der bolivarischen Universität in Caracas und im Nuevo Circo.  

Es ist ein Netzwerk, das die Politik der einzelnen Länder im Auge hat, dies jedoch mit einem alternativen Blick “von der Basis”, wie es im Aufruf heißt und es ist gegenüber Parteien und Regierungen autonom: selbst gegenüber den progressiven lateinamerikanischen Regierungen, die auch das Netzwerk unterstützen.

Die Ziele des Tages waren, “eine breite, demokratische und egalitäre Teilnahme aller Anwesenden zu erreichen: die Stärkung der Basisorganisationen voranzubringen; die historischen Erfahrungen der Kämpfe der Frauen um ihre Rechte aufzuarbeiten; Strukturen der Solidarität und der Unterstützung der Frauen in ihren unterschiedlichen Kämpfen gegen Unterdrückung, Kapitalismus und die Auswirkungen der Krise sowie gegen die ethnische und kulturelle Diskriminierung schaffen.”

Viele Themen standen auf der Agenda. Im Zentrum stand die feminine Selbstbestimmung und das Recht über den eigenen Körper zu entscheiden. Diskutiert wurden Themen der Arbeitswelt, der Umwelt, der Aggressionskriege, der politischen Teilnahme.

Unter den Promotoren der Initiative ist das Kollektiv Ana Soto zu erwähnen. Dilia Josephina Mejas erklärt uns, dass dies der Name eines großen Häuptlings der Gayon Ethnie war, “der mutig gegen die Spanier kämpfte und im August 1668 in Barquisimento am Pfahl aufgespießt wurde.” Laut Dinia handelt es sich bei  Ana Soto um ein Jugendkollektiv, “das in verschiedenen Regionen Venezuelas unter den Arbeitern, Bauern und Indigenen aktiv ist”.  Das Kollektiv beruft sich auf den “wissenschaftlichen Sozialismus” und in diesem Geist arbeitet es an Alternativen in den Barrios, den Gemeinderäten “mittels Rundfunk und kollektivem Fernsehen”.

In Venezuela liegt der Frauenanteil in allen Organen der Regierung bei 50%: “Das ist die institutionelle Konsequenz einer großen Teilnahme des Volkes”, sagt Dilia. “Die bolivarische Revolution erlaubte den Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereich voranzukommen: in der Erziehung, der Gesundheit, der politischen Teilnahme. Wir haben ein gutes Gesetz gegen sexuelle Gewalt, aber es geschieht schon, dass wir auf die Straße gehen müssen, damit diese Gesetze zur Anwwendung kommen. Es gibt noch viele Widerstände.”

Davon zeugt das Gesetz gegen Abtreibung, die nicht erlaubt ist. Kürzlich traf sich Arana Feminista ein Netzwerk von 20 Kollektiven, in dem sich auch Ana Soto beteiligt, mit Vertretern der Regierung, um eine Änderung des Abtreibungsparagraphen im Strafgesetzbuch zu fordern, der die Abtreibung straffrei stellt. Dies ist auch ein Thema auf der Weltfrauenkonferenz, die heute mit einer Demonstration zum hundertsten Jahrestag des 8. März beendet wird.

Agnes Mirqueya Mateo, eine weitere Organisatorin und Delegierte für die Dominikanische Republik. Sie ist schon lange Feministin und leitet als Ökonomin den Fachbereich für Sexualstudien an der autonomen Universität in Santo Domingo (Uasd). Gegenüber Il Manifesto erklärt sie, dass ihre Militanz in den Quartieren der Armen Santo Domingos im Rahmen der Bewegung “14. Juni” begonnen hat. In ihr waren auch die Schwestern Mirabal, Heldinnen im Kampf gegen den Diktator Trujillo, aktiv. Er hetzte seine Killer auf sie und löste so eine Welle der Revolte aus, die 1961 zu seiner Ermordung führte. Die Schwester, “die Schmetterlinge” wurden am 25 November 1960 ermordet. 1999 wurde der 25. November durch die Vereinten Nationen zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen erklärt.

“Ich wohnte in dem Viertel, wo der Tyrann erschossen wurde”, erzählt Agnes. “Unser Kollektiv trug den Namen Minerva Mirabal – eine herausragende Frau. Es war ein kleiner, doch vornehmlich jugendlicher Zirkel. Am Valentinstag entschlossen wir uns Herzen mit der Aufschrift zu schenken “Wer liebt, tötet nicht!” Mein Sohn, der 1985 geboren wurde, war ein Sohn des Barrio. Es waren die Frauen des Vieertels, die sich um ihn kümmerten, während ich arbeiten ging.” Von Bedeutung war für Agnes “die Begegnung mit dem Studium marxistischer Ökonomie. Unter diesem Aspekt versuchte ich die Gründe der Ungleichheit der Geschlechter zu untersuchen. In der Dominikanischen Republik sind die Frauen in allen Sektoren der Gesellschaft beschäftigt. Aber in Bezug auf Gleichstellung: sie verdienen 17 % weniger als die Männer. Die Frau ist unter den Armen die Ärmste. Die Armut nimmt immer mehr weiblich Züge an.”

Das akademische Studium widmet Agnes den Haushaltsunfällen in der Ökonomie lateinamerikanischer Länder. “Es braucht,” sagt sie, “eine Erziehungsarbeit mit gleichen Voraussetzungen, wir brauchen ökonomisch-politische Entwürfe der Strategie einer Perspektive der Geschlechter. An der Universität versuchen wir Erziehungsprogramme zu entwickeln, die wir als Transversalität der Geschlechterfrage in allen Disziplinen benannt haben: Männer und Frauen sollen ein gleiches Bewusstsein über die Ungleichheit erhalten, ihre Ursachen kennen und sie zusammen bekämpfen.”

Radikal und direkt gibt sich auch Cecilia Caramijos. Sie ist Universitätsdozentin und Delegierte aus Ekuador und gehört zum Vorbereitungskreis der Konferenz. In ihrem Land steht sie in erster Reihe der Bewegungen, die verschiedene Präsidenten zu Fall und an die Regierung Rafael Correa brachten. Sie ist auch Mitbegründerin der “Confederacion des mujeres por el cambio (confemec), die 1999 entstand. Der Verein organisiert Frauen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereiche: Intellektuelle, Künstler, viele Indigene und Frauen afrikanischer Herkunft.

“Unsere Staatsverfassung ist eine der demokratischsten der Welt,” sagt sie. “Sie garantiert die Rechte der Frauen und ihre Vertretung  in den Regierungsorganen zu 50%. Das ist Ausdruck einer großen Mobilisierung des Volkes. 2008 war ich Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung. Ich schlug mich, damit das Recht auf Widerstand festgeschrieben wird, wie es die Carta der Menschenrechte vorsieht. Das ist heute wichtiger denn je, da die Regierung den Interessen der Mineral- und Ölmultis nachgibt und die Anwesenheit von 10000 US-Soldaten an der Grenze zu Kolumbien erlaubt.” Ihr strenges Urteil betrachtet die soziale Politik gegenüber den Frauen alles andere “als ein Traum”. Sie sieht erneut die Korruption “einer Clique Technokraten” auf dem Feld des politischen Alltags, die gleichgültig gegenüber den Fähigkeiten der Leute sind und die Eliten bevorzugen, die im Ausland studiert haben.”

Die Konferenz wurde im vergangenen Herbst in Düsseldorf, Deutschland,  vorbereitet. Aus gegebenem Anlass haben sich Delegierte aus 31 Ländern getroffen: aus Afrika, Asien, Mittlerem Orient, Europa, Lateinamerika. Der größte Teil der anwesenden Frauen kam direkt aus den verschiedenen Ländern, es gab jedoch auch viele Frauen aus der Migration, die aus Frankreich, Portugal oder Holland anreisten. Es waren viele junge, unglaublich aufmerksame Gesichter zu sehen, die immer noch fähig sind zu fragen, ob “die Köchin den Staat leiten kann!”

Über Tage hinweg war hier eine Zusammenkunft des marxistischen Feminismus Lateinamerikas mit den Frauen in Schwarz aus Zagreb, den Bewegungen Glbtg im Osten, den Assoziationen haitianischer Migrantinnen – und der kurdischen, irakischen, afghanischen, iranischen Diaspora, welche über ihre Verfolgung berichten. Die Dunkelheit des Krieges aber auch des Friedens, “wenn er dem Räuber freie Hand lässt, die Reichtümer der abhängigen Länder zu rauben und die autonome Entwicklung behindert und der Frau verwehrt in Würde zu leben.”

(Übersetzung: Roberto Greco)

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