Wer noch lebt, sage nie niemals!

Anna Lutz ist nicht mehr. Keine Zeitung schreibt ihr einen Nachruf, obwohl sie in der Öffentlichkeit agierte, ein Orden wurde ihr nie verliehen, obwohl sie sich, wie es so schön heißt: gesellschaftlich engagierte! Kein hohes Tier hielt ihr die Totenrede. Aber wo hat sie sich verdient gemacht?  Wo Aktivismus nicht wahrgenommen wird, wo er nicht sein kann, wo Menschen allein nur deshalb existieren, um das gute Gewissen dieser Gesellschaft zu rechtfertigen. Wo die Überflüssigen unter Überflüssigen leben, wo bis heute die Büchse der Pandora aufbewahrt wird. Ihr Leben, zu dem sie sich bekannte, war das Leben einer starken Frau. Die Voraussetzung waren historisch wie individuell nicht gerade die besten. Das Schlechte, das Übel, Gewalt, Krankheit, Armut und Ausgrenzung war die eine Seite ihres Lebens, die andere, der unermüdliche Versuch, unter diesen Prämissen im Leben zurechtzukommen, sich ihnen nicht zu ergeben. Nach Jahren auf der Straße kam sie nach Offenburg und wehrte sich hier, gemeinsam mit anderen Überflüssigen, für ein Recht auf Wohnen, gegen Stigmatisierung und Exklusion.

Ihr Name ist seit den neunziger Jahren verbunden mit dem Aktivismus der Betroffeneninitiative wohnungsloser Menschen, denen sie versuchte, eine Perspektive und Orientierung  in der sozialen Bewegung zu geben. Von Anna war viel zu lernen, v.a. ihre Stärke und ihr nonkonformistisches Eintreten für die Rechte derer, die keine Stimme haben: Wer noch lebt, sage nie niemals! Das Sichere ist nicht Sicher, so wie es ist bleibt es nicht. Wenn die Herrschenden gesprochen haben, werden die Beherrschten sprechen. Wer wagt zu sagen, niemals. Dass sie diese Idee nicht mehr verkörpert, ist ein großer Verlust für die soziale Bewegung.

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